Albert Boehringer – Chemische Fabrik Nieder-Ingelheim

 

Autor: Hartmut Geißler
nach Henn, Industrie-Entwicklung, 100 Jahre Boehringer Ingelheim 1885-1985,
Siebler 2010, Siebler 2019
und aktuellen Zeitungsberichten

 

"Albert Boehringer – chem. Fabrik": Am 24. Juli 1885 erwarb Ernst Boehringer für seinen Bruder Albert, den noch jungen Chemiker (24 Jahre alt) aus Mannheim, eine kleine, in Nieder-Ingelheim zwischen der Binger Chaussee und der Eisenbahn zum Verkauf anstehende Weinsäurefabrik mit 27 Mitarbeitern.

Damit begann die lange Erfolgsgeschichte des einzigen Ingelheimer Industrieunternehmens, das aus jener Gründerzeit bis heute noch existiert und dem die Stadt Ingelheim, der Landkreis und die Erforschung der Ingelheimer Geschichte sehr viel zu verdanken haben.

Zum Vergleich:

1. Bild: Verwaltungsgebäude von 1907 beim Jubiläumsfest 1910

2. Bild: Die internationale Unternehmenszentrale von 2000

 

1892 wurde die Firma wegen eines Besitzerwechsels bei Boehringer Mannheim umbenannt in "C. H. (= Christoph Heinrich, der Vater Alberts) Boehringer Sohn, Chemische Fabrik Nieder-Ingelheim“, kurz CHBS, und seit 1973 firmiert die Holding unter dem Namen "Boehringer Ingelheim".

Sie ist bis heute in Familienbesitz und gehört zu den weltweit führenden forschenden Pharma-Unternehmen mit ca. 140 Gesellschaften und 50.000 Mitarbeitern auf allen Kontinenten, davon ca. 14.893 in Deutschland und 8.600 in Ingelheim selbst (Stand: April 2019).

Noch während des Ersten Weltkrieges (1917) wurde eine wissenschaftliche Abteilung gegründet, die den beginn eigener Forschungstätigkeit markierte. Sie arbeitete unter der Leitung des Chemie-Nobelpreisträgers Heinrich Wieland, eines Cousins von Helene Boehringer.

1923 wurde Albert Boehringer von der französischen Besatzungsmacht wie andere Ingelheimer Fabrikanten und Politiker ausgewiesen. Er gründete daraufhin in Hamburg-Moorfleet ein Zweigwerk.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden auch dem Unternehmen Boehringer in Ingelheim auswärtige Ersatzarbeiter zugewiesen, Kriegsgefangene und osteuropäische Zwangsarbeiter, die in eigenen Baracken auf dem Werksgelände untergebracht waren (s. Kißener, S. 141-170).

In den Nachkriegsjahren stand Boehringer Ingelheim zuerst auf der Demontageliste, sodass man den Verlust des Unternehmens befürchten musste. 1949 wurde es aber von der Liste gestrichen.

Zusammen mit dem Tochterunternehmen Dr. Karl Thomae GmbH in Biberach begann danach ein bemerkenswerter Aufstieg weltweit.

Zeitweise produzierte Boehringer mit Cela Landwirtschaftliche Chemikalien GmbH in Schwabenheim Pflanzenschutzmittel.

Bekannte Haushalts- und Kosmetikmittel aus der Produktion von Boehringer waren das Deodorant BAC und das Rasierwasser Hattric.

Im Jahr 1955 stieg Boehringer auch in die Produktion von Tiergesundheitsmitteln ein und erweiterte diesen Geschäftsbereich 2017 durch einem Tausch mit dem französischen Unternehmen Sanofi: Boehringer übernahm Sanofis Produktionsbereich Tiergesundheit und Sanofi übernahm Boehringers Produktionsbereich von frei erhältlichen Humanmedikamenten (Selbstmedikation, darunter Thomapyrin, Bisolvon, Buscopan und Mucosolvan).

Zurzeit konzentriert sich das Unternehmen auf die drei Geschäftsfelder Humanpharmazeutika, Tiergesundheit und Biopharmazie. Die weiter wachsende Mitarbeiterzahl in Ingelheim erreichte 2022 knapp 10000, nämlich 9535 Personen (AZ, 30.03.23).

In den letzten Jahren (2013 und 2014) wurden mehrere neue Bürogebäude errichtet, darunter das NOB (New Office Building) mit Platz für 1.300 Mitarbeiter.

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Ingelheim verdankt der Familie und dem Unternehmen Boehringer nicht nur Arbeitsplätze und die Gewerbesteuer einer GmbH, sondern auch ein vielfältiges Sponsoring, z. B. bei den Forschungen zur Ingelheimer Geschichte überhaupt ("Ingelheim am Rhein" von 1964), zu Sebastian Münster, zur Kaiserpfalz und zur Ingelheimer Rechtsgeschichte, sowie die jährliche Kunstausstellung "Internationale Tage Ingelheim".

Die Familie Boehringer unterhält eine Familiengrab auf dem Nieder-Ingelheimer Friedhof. 

 

Gs, erstmals: 22.02.07; Stand: 30.03.23