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Das Itinerar Karls des Großen

mit Auszügen, die Ingelheim betreffen

Autor: Hartmut Geißler,
unter Benutzung von: Karl der Große Katalog Aachen, S. 16,
und ergänzt aus Rauch


"Itinerare", also Reisewege, werden auf der Basis von Urkunden oder anderen schriftlichen Quellen aufgestellt. Sie enthalten jedoch viele Unsicherheiten, nicht nur wegen möglicherweise gefälschter Urkunden, sondern auch deswegen, weil - wie unter Karl dem Großen, wie Rosamond McKitterick nachgewiesen hat, - manche Urkunden nicht in Anwesenheit des Königs ausgestellt sein können. Sie schrieb dazu (S. 189):

"Wie dieser umfangreiche Exkurs gezeigt hat, tritt uns in den Urkunden ein Netzwerk von Pfalznotaren entgegen, die möglicherweise auf die verschiedenen Königspfalzen verteilt waren oder zumindest von einem Standort aus in einer bestimmten Region umherreisten. Die persönliche Anwesenheit des Königs wird vom Urkundenbefund nur in Einzelfällen bestätigt. Königliche Diplome reflektieren zwar die Ausübung königlicher Amtsgeschäfte, sind aber für eine Rekonstruktion des königlichen Itinerars nur von begrenztem Wert. Ein großer Teil der täglichen Verwaltungsgeschäfte im Namen des Königs wurde in verschiedenen über das ganze Reich verteilten Pfalzen in Abwesenheit des Königs erledigt, auch wenn manche Notare offensichtlich tatsächlich den König begleiteten."

Was noch hinzukommt, ist die Notwendigkeit, "actum" von "data" in den Urkunden zu unterscheiden. "Actum" bedeutet, dass die Angelegenheit, also z.B. eine Belehnung, mündlich und zeremoniell irgendwo "verhandelt" wurde"; es ist also die Ortsangabe für den wichtigeren Teil der Angelegenheit. "Data" (in der Regel im Plural) gibt den Zeitpunkt für die (nachträgliche) Bestätigung durch eine Urkunde an. Beides kann zur etwa gleichen Zeit am selben Ort stattfinden, muss es aber nicht, sondern beide Handlungen können auch wochenlang auseinanderliegen, wenn das Sekretariat die Urkunde nicht schnell genug ausstellen konnte. (Bresslau, Harry: Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien. 1. Bd., Leipzig 1889)

Unter diesen Vorbehalten hielt sich Karl u. a. an folgenden Orten auf:

a) Im fränkischen Kernbereich zwischen Seine und Rhein ("Francia"):

2-4-mal in Ingelheim (sicher 774 und 787/88; sehr wahrscheinlich auch 791; sehr unwahrscheinlich 807)

4-mal in Mainz

16-mal in Worms 

7-mal in Diedenhofen/Thionville

6-mal in Quierzy (bei Noyons)

5-mal in Herstal (bei Liège/Lüttich)

18-mal in Aachen

 

b) Winteraufenthalte:

von den ca. 35 Wintern ohne Kriege war er

1-mal in Ingelheim (der einzige Winteraufenthalt eines Königs in Ingelheim überhaupt!)

3-mal in Worms

2-mal in Diedenhofen

2-mal in Attigny (nordöstlich von Reims)

3-mal in Quierzy

5-mal in Herstal

18-mal in Aachen

 

Davon waren Festtagsaufenthalte:

Weihnachten:

1-mal in Ingelheim (787)

3-mal in Worms,

2-mal in Diedenhofen,

2-mal in Attigny,

3-mal in Quierzy,

4-mal in Herstal,

18-mal in Aachen

 

Ostern:

1-mal in Ingelheim (788)

3-mal in Worms,

1-mal in Diedenhofen,

1-mal in Attigny,

2-mal in Quierzy,

5 oder 6-mal in Herstal,

14-mal in Aachen,

4-mal in Nijmegen

 

Diese Zahlen zeigen deutlich, dass Karl mit dem Bauauftrag für den Ingelheimer Palast zwar ein großartiges Projekt in Gang setzte, dass er aber persönlich nur selten in Ingelheim war, viel häufiger in Worms, in Herstal (in Belgien) und vor allem in Aachen.

 

Gs, erstmals: 05.08.05; Stand: 06.11.20