Autor: Hartmut Geißler
Obwohl die revolutionäre Pariser Regierung anfangs die Neutralität von Kurpfalz und Nassau achtete, wirkte sich die große französische Revolution ab 1792 auch in Ingelheim aus, denn deren Gebiete und damit auch der Ingelheimer Grund wurden natürlich von den jakobinischen Vorgängen in Mainz (1792/93) beeinflusst. Nach Saalwächter, Freiheitsfeste bildete sich damals in Ober-Ingelheim ein "Cercle constitutionel", ein Verfassungsklub, der den Mainzer Jakobinern nahe stand. In die "Munizipalisierung" und in die Kampagne zur Wahl des Mainzer "Rheinisch-deutschen Nationalkonventes" wurde der Ingelheimer Grund 1793 jedoch noch nicht einbezogen, anders als die kurmainzischen Orte Heidesheim und Gau-Algesheim.
In den Protokollen des Mainzer Jakobinerclubs findet sich ein Eintrag für den 28. Januar 1793, wo sich ein namenlos gebliebener Ingelheimer darüber beklagte, "dass die Pfälzer Länder nicht befreit würden und dass dann wohl keine Hoffnung für sie sei. Da er aber die Franzosen trotzdem unterstützen wolle, würde er ihnen freies Quartier in seinem Haus anbieten und seinen Sohn Französisch lernen lassen." (Traub, S. 143-144) Man vergleiche damit die nostalgischen Klagen des Gastwirtes in Ober-Ingelheim, als Goethe den Ort 1814 besuchte!
Danach hat der Ingelheimer Grund bis 1797 mindestens fünfmal seinen militärischen Besatzer gewechselt. Denn seine Orte wurden sowohl von Franzosen als auch von ihren Gegnern immer wieder als Einquartierungsgebiet genutzt, und zeitweise gerieten sie auch in Kämpfe, trotz der kurpfälzischen Neutralität.
Nachdem die österreichischen Reichstruppen zweimal in Ober-Italien gegen Napoleon verloren hatten, wurde zu Campo Formio am 17. Oktober 1797 ein Frieden geschlossen, zu dem es eine Geheimklausel gab, die das Reichsgebiet links des Rheines Frankreich zusprach. Damit gehörte Ingelheim faktisch zu Frankreich. Im Baseler Sonderfrieden (April 1795) hatte Preußen schon vorher dasselbe Zugeständnis gemacht.
In dem Jahre 1797 war Ingelheim zuerst noch frei von französischer Besatzung, auf dem linken Selzufer aber standen ihre Vorposten, so dass die Verbindung mit Frei-Weinheim unterbrochen war. Dessen Notlage wurde dadurch so vergrößert, dass die Einwohner drohten, sie müssten, wenn ihnen keine Hilfe zuteil werde, ihre Wohnungen aufgeben. Die Drohung auszuführen war jedoch nicht nötig. Am 30. Dezember 1797 marschierte die österreichische Besatzung aus Mainz ab, gefolgt von den in die Festung einrückenden französischen Truppen. Damit kam auch Ingelheim wieder unter französische Herrschaft.
Am 23. Januar 1798 wurde durch Franz Joseph Rudler die französische Departementsverfassungmit einigen Einschränkungen auch hier eingeführt. Um nun den politisch gewünschten Anschluss an Frankreich zu beschleunigen und besser zu legitimieren, wurde 1798 in allen Orten unserer Region eine Unterschriftenaktion durchgeführt, in der der Anschluss an Frankreich gefordert wurde (die "Reunionsadressen"). In diesem Zusammenhang wurden auch in den kurpfälzischen Gemeinden, die 1792/93 davon noch frei geblieben waren, Freiheitsbäume gepflanzt, nachweislich in Bubenheim und Schwabenheim sowie in Ober- und Nieder-Ingelheim.
Im Frieden von Lunéville (9. Februar 1801) schließlich willigten Kaiser und Reich auch völkerrechtlich in die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich ein. Nun wurden diese neuen Departements, die bisher unter der Kontrolle eines Generalkommissariats gestanden hatten, auch offiziell Bestandteile des französischen Staates. Bis 1814 gehörte Ingelheim deshalb zu Frankreich. Die Ingelheimer wurden gleichberechtigte französische Staatsbürger. Dadurch wurde die Sonderstellung des "Ingelheimer (Reichs-)Grundes", die über ein Jahrtausend bestanden hatte, beseitigt.
Mit der Departementsverfassung wurde eine völlig neue Verwaltungsstruktur geschaffen, indem ein größerer, neu zugeschnittener "Kanton Ober-Ingelheim" eingerichtet wurde, der zum Arrondissement Mainz (Mayence) und zum Departement Donnersberg (Mont Tonnerre) gehörte.
Rechts: Karte des Departements Mont Tonnerre aus dem Museum bei der Kaiserpfalz
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Erklärtes Ziel Napoleons war es, die Bewohner der neuen Departements "vollständig französisch zu machen" (Springer, S. 256), und dieses Ziel verfolgte auch sein "Musterpräfekt" André Jeanbon (ab 1809: Jeanbon de St. André).
Unter ihm wurde die "Route Charlemagne" gebaut bzw. ausgebaut, eine wirtschaftlich und strategisch wichtige Straße von Basel am Rhein entlang bis nach Nijmegen, in unserer Gegend von Mainz-Finthen über den Mainzer Berg an Wackernheim vorbei und dann fast schnurgerade durch Nieder-Ingelheimer Gebiet hindurch bis Bingen.
An dieser Achse, die wahrscheinlich einer alten römischen Straße folgte, entwickelte sich das Nieder-Ingelheim des 19. Jahrhunderts. Es ist die heutige Mainzer bzw. Binger Straße. An ihren Bau erinnert der zweisprachige sog. Napoleonstein gegenüber dem ehemaligen Hotel Multatuli.
Goethe will bei seinem Besuch in Nieder-Ingelheim am 4. September 1814 erfahren haben: "Während der französischen Herrschaft hat man verschiedene Nachsuchungen [im Ingelheimer Saal] gethan; auch wurden einige Säulen nach Paris geschafft." Hier irrt Goethe. Dass Säulen aus dem Aachener Dom nach Paris geschafft wurden, ist bekannt; aus Ingelheim gab es jedoch nach dem vorausgehenden Bericht Lameys nichts mehr, was man hätte abtransportieren können.
Die Schulen wurden in der napoleonischen Zeit aus der Hand der Kirchen in die der weltlichen Gemeinden gegeben, die aber oft weder das Sachwissen noch das Geld hatten, ausreichenden Unterricht erteilen zu lassen. Insgesamt wurde dadurch die Schulbildung eher vernachlässigt. Insbesondere die Verhältnisse an den Volksschulen müssen z. T. erbärmlich gewesen sein, weil die Lehrer durch den Wegfall kirchlicher Besoldung kaum genug zum Leben hatten.
Nach der Übernahme von Rheinhessen durch das Großherzogtum wurde von der Provinzregierung in Mainz 1816 eine Umfrage gemacht, die u.a. auch nach dem Zustand der Schulen fragte. Im Ingelheimer Stadtarchiv ist eine Antwort des katholischen Pfarrers Baumgarten aus Nieder-Ingeheim erhalten, die den Zustand so beschrieb:
Es ist (= gibt) eine Winter- und eine Sommerschule, obwohl seit der französischen Verfassung die Eltern ihre Kinder im Winter sehr nachlässig und im Sommer gar nicht zur Schule schicken; denn da sich die Zivilbehörde bis daher um die Bildung der Jugend auf dem Lande ebenso wenig als um die Besoldung der Lehrer bekümmerte, den Pfarrern aber alle Gewalt, etwas mit Nachdruck hierin zu wirken, benommen, und die Ausbildung der Kinder ganz der Willkür der Eltern überlassen war, … so halten sie den Unterricht, den sie nicht zu schätzen wissen, für eine ganz entbehrliche Sache und lassen ihre Kinder verwildern, um die jährliche Ausgabe von 45 Kreuzern Schulgeld zu ersparen und die Kinder zu nicht nennenswerten Arbeiten zu Hause und auf dem Felde brauchen zu können.
Insbesondere in Frei-Weinheim litt die Schulbildung stark unter der schlechten Lehrerbezahlung, sodass der Unterricht oft ausfallen musste.
Insgesamt aber brachte die napoleonische Zeit auch dem Ingelheimer Grund einen allgemeinen Modernisierungsschub, der sich freilich erst später voll auswirkte:
- Ende der althergebrachten Grundherrschaft mit ihren zersplitterten Besitz- und Zuordnungsverhältnissen
- Ende der Feudalabgaben und -lasten wie Bede, Ungeld, Zehnt und Fron
- Die Ingelheimer Dörfer bekamen eine straffe, zentralistische Verwaltung mit der Übernahme französischer Gesetze, z. B. des Feuerschutz-Gesetzes vom 28. September 1791 (s. Hinkel)
- Die Einführung des metrischen Systems brachte einheitliche Maße.
- Die "Bürger" ("Citoyens") genossen Gleichheit vor dem Gesetz.
- Emanzipation der Juden, die Familiennamen annehmen mussten und rechtlich gleichgestellt wurden
- Alle Bürger hatten zwar wachsende, aber gleiche Steuern zu zahlen.
- Der Zunftzwang fiel fort, es herrschte Gewerbefreiheit.
- Die uralte genossenschaftliche Fahrgemeinschaft der Frei-Weinheimer zur Abwicklung des Fährbetriebs wurde 1803 aufgelöst und für 430 fr. 97 ct. an zehn Bürger versteigert (Burger, Ingelheim und der Rhein, BIG 3, Anm. 59).
- Es entstand die Zivilehe, Scheidungen wurden möglich, aber noch sehr selten beantragt.
- Es entstand eine öffentliche und unabhängige Justiz, die strikt von der Verwaltung getrennt wurde, allerdings mit hohen Gerichtsgebühren und dem Zwang zu Französisch als Amtssprache.
- Medizinische und hygienische Fortschritte (Impfzwang gegen Pocken für Kinder, Errichtung von Schlachthäusern, Friedhöfe außerhalb der Ortschaften)
- Die Landwirtschaft wurde gefördert und modernisiert.
Die Beurteilung jener Epoche schwankt sehr stark in der Literatur, je nach Perspektive des Autors und je nach Abfassungszeit. Einerseits werden die Kriegsleiden und die anfängliche Ausplünderung betont, andererseits die Einführung fortschrittlicher Institutionen im linksrheinischen Gebiet.
Als positiv wurden wahrscheinlich von der hiesigen Bevölkerung empfunden ...
- die Einführung des modernen Code civil mit seiner Gleichberechtigung, der Freiheit der Person und des Eigentums, der Vertragsfreiheit sowie der Trennung von Kirche und Staat sowie von Verwaltung und Justiz
- die neue straffe Verwaltung, die sich zwar in alles einmischte, im Gegensatz aber zur vorherigen kurfürstlichen Verwaltung offenbar pflichtbewusster handelte (Saalwächter, BIG 9, 1958, S. 29)
- die Einführung der Freizügigkeit und Gewerbefreiheit
- der napoleonische Straßenbau (Route Charlemagne), der sich allerdings auf nur zwei Straßen beschränkte
- die Ausbesserung der Deiche
- der agrarwirtschaftliche Aufschwung durch die Kontinentalsperre (z. B. Errichtung einer Rüben-Zuckerfabrik in der ehemaligen Propstei Schwabenheim)
- die guten Absatzmöglichkeiten bei der Versorgung der napoleonischen Heere; den Soldaten durfte der Sold nämlich nur innerhalb des Kaiserreichs ausgezahlt werden, d. h. sie bekamen ihn, wenn sie aus dem Osten über den Rhein zurückkamen, auf dem linken Rheinufer ausgezahlt und werden viel davon gleich hier ausgegeben haben (Springer, S. 386).
Sehr positiv äußert sich Wilhelm Hesse (im Buch gedruckt "Heße"), der von 1816 bis 1835 in der Verwaltung der Provinz Rheinhessen tätig war, in seinem Buch von 1835 über die Verbesserungen, die das französische Rechtswesen für Rheinhessen gebracht hat. (Hesse S. 90 - 118)
Als negativ wurden andererseits sicherlich erlebt ...
- der extreme französische Zentralismus mit seiner oft ausufernden Regelungswut
- die massiven Steuererhebungen, die sich mitunter als höher herausstellten als die vorherigen Feudalabgaben; nun mussten z. B. auch Tür- und Fenstersteuern bezahlt werden, was Auswirkungen auf den Baustil der nächsten Jahre hatte
- die Getreide- und Viehausfuhrverbote über den Rhein (d.h. aus Frankreich heraus)
- der Rhein als Wirtschaftsgrenze mit hohen Zollmauern
- das überaus strenge System der "Erlaubnisscheine" in einer Zone längs des Rheins, das den Schmuggel unterbinden sollte, aber gleichzeitig zu einer starken Abnahme des linksrheinischen Durchfahrthandels führte
- die schlechte Situation der Fabrikproduktion (bedeutsam in der Pfalz, aber für Ingelheim ohne Bedeutung)
- die teilweise erzwungene Übernahme der französischen Sprache, obwohl dieser Versuch im Departement Donnersberg nicht sehr erfolgreich gewesen zu sein scheint
- vielleicht hier und da die politische Überwachung, um jede Opposition schon im Keim zu ersticken (von Opposition ist aus Ingelheim nichts überliefert)
- vielleicht die zensierte, linientreue Presse, obwohl das Problem der Pressefreiheit für Ingelheim eher eine untergeordnete Bedeutung hatte
- der von Napoleon wieder abgebrochene Versuch, die Wochen durch die Dekaden des Revolutionskalenders zu ersetzen, was auch hieß, den Sonntag abzuschaffen
- vor allem die Konskriptionen, d.h. die Aushebungen der jungen Männer über 20 Jahre für den Militärdienst, aus dem sie (vor allem aus Spanien und aus Russland) oft nicht mehr zurückkehrten. Die Verluste lagen in den Orten, in denen sie ermittelt werden konnten, z. T. deutlich über 50% (in Oppenheim, Nierstein und Zornheim). Widerstand dagegen gab es allerdings in unserer Region nicht - im Unterschied etwa zu den Arrondissements Bitburg, Birkenfeld und Prüm.
Leider gibt es keinerlei schriftliche Zeugnisse, wie die damaligen "Ingelheimer" den Wandel ihrer Lebensumstände erlebt und bewertet haben. Man kann es höchstens aus einigen Indizien schließen oder die Bewertungen aus anderen Regionen übernehmen (am ausführlichsten bei Springer):
- Es gab hier keinerlei Aufstände oder Sabotagemaßnahmen gegen die französische Herrschaft, auch nicht gegen die Konskriptionen, wie etwa im Saardepartement.
- Es gab zwar Desertionsversuche von Wehrpflichtigen, aber keine breitere Fluchtbewegung aus der Ingelheimer Heimat, wohl aber verstärkte Auswanderung.
- In späterer Erinnerung der Veteranen erschien die napoleonische Epoche eher verklärt, was bei Nostalgiephänomenen natürlich immer geschieht.
Aber eine goldene Zeit des Rheinlandes, wie Funck-Brentano sie nennt, ist jedenfalls für die heutige Pfalz und Rheinhessen die Epoche der Franzosenherrschaft nicht gewesen (Springer, S. 387).
Mit einem quellenkritischen Problem dabei setzen sich Springer, S. 374 ff. und Dumont auseinander, nämlich der Beurteilung der Zuverlässigkeit der Berichte nach Paris, die einerseits der Präfekt Jeanbon St. André und andererseits die französische Zollverwaltung verfasst haben, die sich in einem ständigen Kleinkrieg gegeneinander befanden. Dabei mag aus taktischen Gründen manchmal die eine oder die andere Meldung übertrieben worden sein.
Dumont (S. 171) fasst seinen Eindruck aus dem Nieder-Olmer Bereich so zusammen:
Die meisten einheimischen Zeitgenossen bewerteten die französische Herrschaft dagegen positiv, hatte sie doch viele jener Errungenschaften gebracht, die man nach 1816 als ,rheinische Institutionen' verteidigte und stets als Beweis der Überlegenheit des Linksrheinischen gegenüber dem Rechtsrheinischen anführte.
Gravierend, weil von dauerhafter Wirkung, war sicherlich die große Besitzumschichtung von ca. zwei Dritteln des alten Grundbesitzes. Das war vor allem Kirchengut, aber auch der Grundbesitz des Adels. Er wurde nun von Bürgerlichen gekauft bzw. bei Versteigerungen erworben, es entstand eine neue Besitz- und Sozialstruktur. So gaben z.B. die Grafen von Ingelheim ihren gesamten Besitz im nun französischen Ingelheim auf und verkauften ihn unter Wert. Diese vormaligen Großgrundbesitzungen - nun in bürgerlicher Hand - konnten jetzt durch Teilverkauf oder Erbteilung aufgeteilt werden, was die Tendenz zu kleineren Parzellen förderte.
Die neuen "Notabeln" im Donnersberg-Departement waren Beamte, Grundbesitzer, Industrielle. Nur wenige adlige Familien behielten ihre Wohnsitze linksrheinisch, so z. B. die Herren von Wallbrunn, die zur rheinischen Ritterschaft gehörten und auch in Groß-Winternheim begütert waren. Sie blieben ebenso wie die Wambold von Umstadt in Partenheim wohnen, ohne dass ihre Besitzungen enteignet oder geplündert und zerstört wurden.
Napoleon selbst durchfuhr nur ein einziges Mal Ingelheim, und zwar mit einer Kutsche auf der neuen Straße von Köln über Koblenz, Bingen und Kreuznach kommend, auf dem Weg nach Mainz, im September 1804, während seine Frau Josephine das bequemere Schiff bis Mainz bevorzugte.
Die "französische Zeit" ging zu Ende, als nach der sog. Völkerschlacht bei Leipzig (18. Oktober 1813) die verbündeten Truppen der Preußen, Österreicher, Russen und die kleineren deutschen Kontingente den Rhein überschritten (Blücher bei Kaub in der Neujahrsnacht 1814) und nach Frankreich weiterzogen. Erneut wurden damals die Orte des Ingelheimer Grundes zu Einquartierungen, Verpflegungsleistungen und sonstigen Dienstleitungen verpflichtet, zuerst für die sich zurückziehenden Franzosen, dann für die nachdrängenden Deutschen und verbündeten Russen und schließlich für diese Truppen, als sie wieder aus Frankreich zurückzogen.
Zugleich aber hatten die Ingelheimer wie die Mainzer unter der Typhus-Epidemie zu leiden, die die Franzosen auf dem Rückzug ab Oktober 1813 eingeschleppt hatten und durch die allein in der Festung Mainz ca. 16.000 Soldaten und 2.500 Mainzer Einwohner ums Leben kamen. Auch in Ingelheim infizierten sich viele Einwohner an den durchziehenden Soldaten; hier lag der Gipfel der Sterbefälle im November 1813; danach normalisierte sich die Zahl der Sterbefälle wieder bis zum Mai 1814. (Näheres bei Fath, Gesundheitswesen, in BIG 49, S. 191 ff.)
Zwischen Juni 1814 und Juni 1816 wurde das bisherige Departement Mont Tonnerre von einer provisorischen Militäradministration der siegreichen deutschen Staaten Preußen, Österreich und Bayern verwaltet, zuerst von Kreuznach aus, dann von Worms, bis schließlich große Teile des Departements durch den Staatsvertrag zwischen Preußen, Österreich und Hessen-Darmstadt am 30. Juni 1816 an das Großherzogtum Hessen (-Darmstadt) fielen und bald danach "Rheinhessen" genannt wurden. Die linksrheinischen Teile der ehemaligen Rheinpfalz wurden in Wittelsbacher Tradition dem Königreiche Bayern zugeschlagen.
Und zu diesem "Rheinhessen" gehörten nun auch die Orte des ehemaligen Ingelheimer Grundes bzw. Kantons, so dass wir uns heute immer noch als "Rhoihesse" empfinden, obwohl diese hessische Staatszugehörigkeit und eine entsprechende Verwaltungseinteilung als Regierungsbezirk schon lange nicht mehr bestehen. Vor allem beim Tourismus und in der Weinwerbung spielt der Begriff eine sehr lebendige Rolle, z. B. in kryptischen Schriftbändern auf Einmaltischdecken mit Inhalten wie "Karlmeidroppemeirhoihessewoischoppe!"
Die vorrevolutionären Verhältnisse wurden 1816 nicht wieder hergestellt.
Gs, erstmals: 01.11.05; Stand: 04.12.22