Autor: Hartmut Geißler
nach Zeitungsmeldungen aus der Ingelheimer Chronik und direkt aus dem "Rheinhessischen Beobachter" bzw. ab 1.10.1922 der "Ingelheimer Zeitung"
a) Fahrräder - Mobilität und Geselligkeit
"12. Juni 1920 - N.-I. Ein Fahrradverein wurde hier gegründet. Er will seinen Mitgliedern billigere Fahrradartikel (als sonstwo erhältlich) liefern und den Radsport pflegen." (Chronik, S. 97)
"9. Mai 1921 - O.-I. Der Radler-Club Achter eröffnete den Reigen seiner Wanderfahrten mit der 1. Tourenfahrt Langenschwalbach - Wispertal - Lorch". (Chronik, S. 99)
"15. Juli 1921 - O.-I. Hier bildete sich ein Radfahrerverein "Rheingold" mit dem schönen Bestreben, das gesellige Beisammensein hauptsächlich der reiferen jungen Leute zu pflegen." (Chronik, S. 100)
"17. Juli 1922 - O.-I. Der Arbeiter-Radfahrer-Verein "Wanderlust" im Radfahrerbund "Solidarität" feierte sein Gründungsfest." (Chronik, S. 102)
"6. Juni 1925 - N.-I. Um den großen Straßenpreis von Ingelheim geht ein vom Radsportverein 1921 ausgetragenes Straßenrennen von Ingelheim nach Boppard und zurück." (Chronik, S. 113)
"9. Mai 1931 - N.-I. 20 Jahre Radfahrerverein. Der Arbeiter-Radfahrerverein 'Frischauf', Nieder-Ingelheim, begeht sein 20jähriges Stiftungsfest..." (Chronik, S. 147)
b) Autos, Motorräder
"12. August 1924 - 300 Ingelheimer machten sich mit Lastwagen, Pkw, Motorrädern und Fahrrädern auf den Weg zum Ferienheim der Ingelheimer Kinder im Ingelheimer Wald. Anlaß war die offizielle Einweihungsfeier des Ferienheimes. Zahlreiche Reden wurden gehalten, den Spendern und Initiatoren gedankt und daran erinnert, was man gemeinsam, Ober- und Nieder-Ingelheim vereint, leisten könne." (Chronik, S. 110) - Ohne diese Motorisierung hätte es wohl kaum ein Ferienheim für Ingelheimer Kinder im abgelegenen Ingelheimer Wald oberhalb von Bingen gegeben.
"25. Februar 1928 - N.-I. Die Gefahren des immer mehr zunehmenden Autoverkehrs vor Augen, beschlossen die Ingelheimer Gemeinderäte, eine Fahrgeschwindigkeit von 15 km pro Stunde für die Ortsdurchfahrt festzusetzen." (Chronik, S. 124)
"5. Mai 1928 - N.-I. Zwecks Gründung eines Motorradfahrer-Clubs findet eine Versammlung aller Interessenten statt." (Chronik, S. 126)
"8. April 1930 - N.-I. Motorradrennen. Bei dem am letzten Sonntag veranstalteten Aschenbahn-Motorradrennen gelang es dem Nieder-Ingelheimer Amateurfahrer Julius Roos, auf seiner 500 ccm kopfgesteuerten "Ariel" zwei schöne Siege zu erringen. Roos startete gegen sehr starke Konkurrenten wie Frau I. v. Opel, Herrn Georg von Opel sowie andere bekannte Fahrer." (Chronik, S. 136)
"16. April 1930 - O.-I. Der dem R.C.A. angegliederte Motorradclub, welcher bei der letzten Jahreshauptversammlung im Januar gegründet worden war, unternahm seine erste Ausfahrt. Die Ingelheimer erlebten in der vor kurzem von der Besatzung frei gewordenen Stadt Koblenz einen großen Tag Die Feldzeichen der ehemaligen rheinischen Regimenter wurden nach der Stadt in einem großen Festzug überführt. Der Ausflug brachte viele interessante Eindrücke. 'Töff Heil!' " (Chronik, S. 136)
"28. November 1929 - F.-W. Zu dem schweren Unglücksfall im Nebel, bei dem zwei Koblenzer Zahnärzte und eine Zahnärztin ums Leben gekommen sind, ist nachzutragen, daß das Auto nicht die Uferböschung hinuntergefahren ist, sondern auf die Rampe geraten war, die direkt in den Strom führt. Da diese sehr abschüssig und glatt ist, haben die Bremsen des Autos versagt, der Wagen kam ins Rutschen und versank bei 4 Meter Wassertiefe in den Fluten, wo die Insassen den Tod fanden." (Chronik, S. 132)
Meldungen zum Verkehr Ende März und Ende Juni 1930:
"31. März 1930 - N.-I. Am gestrigen Sonntag war der Kraftwagenverkehr durch unseren Ort wieder ein ganz gewaltiger. Von Unglücksfällen an besonders gefährlichen Stellen ist glücklicherweise nichts zu berichten. Eine starke Zunahme des Verkehrs an den nächsten Sonntagen ist zu erwarten." (Chronik, S. 135)
Dennoch blieb der von Menschen gezogene Bollerwagen noch lange Zeit ein übliches Transportmittel. Das Bild zeigt die Stiegelgasse in Ober-Ingelheim (wahrscheinlich in den 30er Jahren).
Links: Die Ingelheimer Zeitung berichtet über den starken Sonntagsverkehr in Nieder-Ingelheim und zählte zwischen 6 und 21 Uhr (wahrscheinlich auf der Binger bzw. Mainzer Straße, die damals noch keine Einbahnstraße war!):
- 1727 PKW
- 1447 Motorräder
- 144 LKW, darunter 13 mit Anhänger, und Omnibusse
(30. Juni 1930)
Und am 27. Juni 1930 meldete die "Ingelheimer Zeitung":
c) Flugzeuge, Zeppelin
"11. November 1930 - O.-I. "Graf Zeppelin". Heute überflog das Luftschiff "Graf Zeppelin" [=LZ 127] unseren Ort." (Chronik, S. 142)
"2. Dezember 1930 - O.-I. Der Ingelheimer Flugtag aus Gründen der Werbung zog rund 3000 Menschen, [Eintritt] zahlende und nichtzahlende, auf das Gelände am Schloß Westerhaus. Die Kunstflugleistungen (z. B. das Trudeln des Doppeldeckers, Steil- und Rückenflüge des Eindeckers) waren ebenso beachtlich wie der Fallschirmabsprung aus 800 m Höhe von Frl. Geier aus Darmstadt." (Chronik, S. 142)
d) Radio
"4. November 1925 - O.-I. Der Physiker Pauck, Dozent für Experimentalphysik der Humboldtuniversität in Berlin, ein Fachmann auf dem Gebiet der Radiotechnik und ihrer physikalischen Grundlagen, ist durch den Volksbildungsverein zu einem Experimentalvortrag mit praktischen Radiovorführungen gewonnen worden..." (Chronik, S. 115)
"16. Januar 1926 - N.-I. Für alle, die keine eigene Radio-Empfangsstation besitzen, gibt die Firma Genzler und Baumgärtner, Bahnhofstraße 3, die Gelegenheit, Radiokonzerte etc. zu hören in einer sogenannten Hörstube. Pro Person und Abend werden 30 Pfennige Eintritt erhoben." (Chronik, S. 115)
"22. März 1926 - Ingelheim Ein Radio-Klub für Ingelheim und Umgebung hat sich gegründet. Man will das Rundfunkwesen fördern und außerdem Bastelstunden zum Eigenbau von Rundfunkempfängern veranstalten." (Chronik, S. 116)
"5. April 1930 - N.-I. An das hiesige Ortsnetz für Radio-Übertragungen [=Drahtfunk] sind 250 Teilnehmer angeschlossen." (Chronik, S. 136)
"8. Oktober 1932 - Werbung für die beiden Ingelheim. Das Programm der Rundfunkreportage über den Handwerkertag und das Winzerfest wurde durch die Rundfunkleitung in Frankfurt/M. vervollständigt, indem Hör-Aufnahmen bei der Weinlese in Ober-Ingelheim (Kellerei und Weingut J. Neus) gemacht wurden. Auch die Ratssitzung, in der der Herbstbeschluß gefaßt wurde, wird gesendet... Diese hervorragende Propaganda ist das Verdienst von Bürgermeister Dr. Rückert." (Chronik, S. 157)
e) Telefon
Im Jahre 1899 wurde in der Nieder-Ingelheimer Postverwaltung in der Binger Straße 45 die erste Fernsprechvermittlung eingerichtet, die mit 21 Anschlüssen in Betrieb ging.
f) Schreibmaschinen
Im Ersten Weltkrieg musste Pfarrer Korell noch seine Dienst-Schreibmaschine für eine "Feldpostzeitung" zur Verfügung stellen:
"Pfarrer Korell aus Nieder-Ingelheim stellte auf seiner Schreibmaschine eine „Feldpostzeitung“ her, die mit angefügten Familiennachrichten an die Soldaten im Felde versendet wurde."
In den Jahren danach wurden Schreibmaschinen nun technische Hilfsmittel, die sich viele Personen leisten konnten.
Hier eine Reklame aus der Ingelheimer Zeitung vom 14. Juni 1930.
g) Kinos
"11. September 1919 - O.-I. August Becker und Eduard Braun haben einen Kinobetrieb angemeldet." (Chronik, S. 95)
"Kino hat sich durchgesetzt. Die Ingelheimer Lichtspiele (Ober-Ingelheim) bringen am zweiten Weihnachtstag den großen Monumentalfilm "Nero". Im Lichtspielhaus "Goldener Hirsch" (Nieder-Ingelheim) wird das Filmwerk "Die Herrin der Welt" vorgeführt." (Chronik, S. 99)
"4. Juni 1930 - N.-I. Die Lichtspiele Nieder-Ingelheim teilen mit, daß die Anlage zu einem Tonfilm-Theater umgebaut wurde und daß durch die größte Erfindung des letzten Jahrhunderts sämtliche Ufa-Tonfilme hier zur Aufführung gelangen. Den Auftakt bildet die Tonfilm-Operette 'Liebeswalzer' mit Willy Fritsch und Lilian Harvey." (Chronik, S. 138)
h) Landwirtschaft
"Auf der Frankfurter Frühjahrsmesse sind Erzeugnisse der an die Firma Heiser und Zimmer übergegangene "Ingelheimer Maschinenfabrik" ausgestellt. Eine Spezialität dieser Fabrik sind hydraulische Keltern. Neben verschiedenen Trauben- und Obstpressen finden sich alle Apparate für den Kellereibetrieb, Armaturen und die besondere Beachtung verdienende hydraulische Unterdruckpresse Marke 'Ingelheim'. " (Chronik S. 97)
1928 erhielt die Markthalle der "Obst- und Gemüseverwertungsgenossenschaft eGmbH Ingelheim" durch einen Anbau einer Verladehalle und einen Gleisanschluss etwa seine damalige Gestalt. Im neuen Teil der Halle wurde ein große elektrische Versteigerungsuhr der Firma AEG installiert. (Grundmann S. 28)
i) Gas- Wasser- und Elektrizitätsversorgung
Zur Zeittafel der Vorgeschichte der Ingelheim "Stadtwerke" bzw. der "Rheinhessischen" nach Vey, 50 Jahre Rheinhess.
"15. Februar 1927 - O.-I. Die Entscheidung in der Gasversorgungsfrage ist dahingehend gefallen, daß man sich nicht an Nieder-Ingelheim, sondern an das Gaswerk Mainz anschließen wird. In Ingelheim hatte man vorher gehofft, daß mit einer gemeinsamen Gasversorgung der beiden Gemeinden diese sich auf anderen Gebieten näher kommen könnten." (Chronik, S. 119)
Diese Entscheidung wurde allerdings nicht realisiert - siehe die folgende Meldung:
"22. März 1930 - Ingelheim Im Anschluss an einen Vortrag des Gewerbevereins über eine zeitgemäße Gasversorgung kam es zu einer lebhaften Diskussion. Zur Sprache kam die eventuelle Versorgung Ober-Ingelheims mit Gas durch Nieder-Ingelheim (ein Bezug von anderer Seite kommt überhaupt nicht in Frage), die Hilfeleistung Nieder-Ingelheims beim Wassermangel in Ober-Ingelheim und der gemeinsame Bezug der Elektrizität aus Mainz (Umstellung Ober-Ingelheims auf Drehstrom, Stillegung des Ober-Ingelheimer Werkes)..." (Chronik, S. 135)
"31. März 1927 - F.-W. Die Gemeinde wird städtisch und bekommt Gas und Wasser. Unbekannt dürfte sein, auf welche Weise die Zufuhr von Ingelheim erfolgt. Aufgrund einer neuen Erfindung ist es möglich, daß man Gas und Wasser durch eine Leitung führen kann, indem das Hauptrohr ein Zweites enthält. Diese Erfindung, die dem Geiste eines geborenen Ingelheimers entsprungen ist, soll erstmalig an der Gas- und Wasserversorgung Frei-Weinheims in Anwendung gebracht werden." (Chronik, S. 119)
"11. Februar 1928 - F.-W. Die Übergabe der Wasserleitung durch die Kulturinspektion an die Gemeinde fand mit einer Übung der Feuerwehr statt, wobei man sich vom Druck des Wassers überzeugen konnte, das fast die Spitze des Kirchturmes erreichte. Anwesend waren neben Spitzen der Behörden auch die gesamte Gemeindevertretung Nieder-Ingelheim, durch deren Quellen in ihrer Gemarkung die Frei-Weinheimer Leitung gespeist wird. Bürgermeister Kitzinger verwies in seiner Festrede auf den Fortschritt, den unsere Gemeinde durch das Entgegenkommen der Gemeinde Nieder-Ingelheim machte. Er erwähnte die Interessengemeinschaft, die diese beiden Gemeinden verbindet, und wünschte auch für die Zukunft ein ersprießliches Zusammenarbeiten. Auch einige Gemeindevertreter von Nieder-Ingelheim nahmen das Wort und wünschten eine enge Zusammenarbeit der Gemeinden, wobei allerdings und leider ihre Namensschwester Ober-Ingelheim eine stiefmütterliche Behandlung erfuhr." (Chronik, S. 124)
j) Kanalisierung
"31. März 1928 - N.-I. Die Kanalisierungsarbeiten verschiedener Straßen unseres Ortes sind bereits begonnen worden. Vorerst werden nur hiesige Erwerbslose an dieser Arbeit beschäftigt..." (Chronik, S. 126)
k) Müllabfuhr
"17. Juni 1927 - O.-I.: Erstmals wird auch, nachdem in der Zeitung mehrfach Anregungen hierzu zu lesen waren, die Müllabfuhr in Ober-Ingelheim eingeführt. Das Gemeindefuhrwerk wird zur Abholung einmal in der Woche durch die Ortsstraßen fahren. Der Müll kommt in eine frühere Kiesgrube." (Chronik, S. 120)
l) Der Kran in Frei-Weinheim
"12. Februar 1930 - F.-W. Der elektrische Kran am hiesigen Hafen ist nun fertiggestellt und bereits in Betrieb genommen. Das erste Kohlenschiff ist wieder im Hafen eingelaufen und wird ausgekrant. Der neue Kran soll tadellos funktionieren." (Chronik, S. 134)
m) Feuerwehr
"10. Dezember 1930 - N.-I. Nun hat die Feuerwehr von Ingelheim eine Motorspritze. Sie ist eingetroffen und bei Gebr. Reichert untergestellt. Wenn die Garage in der Boeringerschen Fabrik fertig ist, kommt sie dorthin. Die Bedienung erfolgt jedenfalls durch Fabrikfeuerwehrleute." (Chronik, S. 142)
Das erste kommunale Feuerwehrgerätehaus wurde 1934 am Nieder-Ingelheimer Rathausplatz gebaut. Seine Mauern beherbergen heute das Museum.