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Wackernheim - seit Jahrhunderten ein Bestandteil des Ingelheimer Grundes, im 19. und 20. Jh. nicht zu Ingelheim gehörend, am 1.7.2019 der Stadt Ingelheim beigetreten

 

Autor: Hartmut Geißler
unter Benutzung von BIG 7 (1956), der "Festschrift zur 1200-Jahr-Feier von Wackernheim", hgg. v. Ernst Emmerling;
vor allem aus: Müller 2019

 

Zum Autor Christian Müller

Im neuen großen Sammelband zur Geschichte der Stadt Ingelheim von 2019 hat der Heidesheimer Historiker Christian Müller eine zusammenfassende Darstellung der Ortsgeschichten von Heidesheim und Wackernheim veröffentlicht, die der Stadt Ingelheim im selben Jahr zum 1. Juli beigetreten sind. Schon als Schüler ist er im Jahr 2013 für eine Arbeit im Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten zu den Kriegsgefangenenlagern zwischen Heidesheim und Heidenfahrt als Landessieger und als zweiter Bundessieger ausgezeichnet worden, und im Jahre 2018 hat der Historische Verein seine Untersuchung "Vom Zentrumsturm ins Braune Haus. Die nationalsozialistische Machtübernahme in Heidesheim 1933/34" in Kooperation mit der Ortsgemeinde Heidesheim als Kleine Schrift Nr. 12 veröffentlicht. Sie war ursprünglich seine Bachelorarbeit im Fachbereich 07 der Johannes Gutenberg-Universität.

Textstücke, die im Folgenden kursivgeschrieben sind, sind, falls nichts anderes vermerkt ist, wörtliche Zitate aus Müllers Arbeit von 2019. In normaler Schrift sind anderweitige Ergänzungen eingefügt.

Zu Heidesheim siehe hier!

Von der steinzeitlichen Besiedlung bis zum Ende des Mittelalters

Die heutige Gemarkung von Heidesheim und Wackernheim war bereits in der Steinzeit besiedelt, was zahlreiche Zufallsfunde und Grabungen in den vergangenen Jahrzehnten untermauert haben. In Wackernheim kam es zu bedeutenden Funden aus der Michelsberger Kultur sowie aus der Bronzezeit, wie eine jungsteinzeitliche Axt, ein spitznackiges Steinbeil und ein Bronze-Absatzbeil belegen.

Aus der römischen Zeit sind diverse kleinere Fundstellen in der Gemarkung überliefert, u.a. an der Karlsquelle bei der Sandmühle, am Höllenberg und im Rheinbein; durch Wackernheim verlief eine Römerstraße, in deren Umkreis weitere Zufallsfunde liegen. Umstritten war lange Zeit der genaue Entstehungszeitraum der Wasserleitung zwischen Heidesheim, Wackernheim und Ingelheim. Archäologische Untersuchungen bestätigten (jetzt eindeutig; Gs) ihre Erbauung (Gs) in der Karolingerzeit am Ende des 8. Jhs...

Esch vermutet in der Wasserleitung den Hauptgrund, warum Wackernheim zum Ingelheimer Königsgut gehörte (Esch in BiG 7, S. 35).

Während die ersten Hinweise auf Heidesheim im LORSCHER CODEX ZU finden sind, lässt sich die Gründung Wackernheims auf das Corpus Tradit[i]onum Fuldensium zurückführen, dem Schenkungsbuch des Klosters Fulda. Das Jahr 754 hält die erste Erwähnung bereit, als ein gewisser Otakar einen Weinberg an der Martinskirche auf dem Gebiet des heutigen Wackernheim an das Kloster Fulda schenkte... Die Zeugen der Schenkung waren die Grafen Hatto und Wolfrad sowie ein Königsbote, sodass der Mediävist Bosl die These vertritt, dass die Martinskirche ursprünglich als königliche Eigenkirche fungierte. Otakar tauchte immer wieder in Urkunden aus dem späten 8. Jh. auf, so auch im Jahr 779 als »fidelis noster Otakarus« (unser Getreuer Ottakar; Gs) des fränkischen Königs und späteren Kaisers Karls des Großen. Daraus schloss Staab, dass Otakar »einer der bekanntesten mittelrheinischen Vasallen Karls des Großen war [...], dessen Besitz u. a. in Wackernheim, Saulheim, Mainz und Bingen lag«. In Wackernheim befand sich auch der Herrenhof Otakars, den er schon von seinen Eltern geerbt hatte - was auf eine deutlich frühere Besiedlung hinweisen dürfte. Zudem verfügte Otakars Familie noch über Ländereien in Rheinhessen sowie über Besitztümer in Mainz, was Otakar ermöglichte »to enter into a personal relationship of Obligation to the king« (in eine enge persönliche Beziehung zu dem König und Verpflichtung ihm gegenüber).

Der Name „Wackernheim“ steht mit Otakar in enger Beziehung, da viele Namen mit dem Suffix ,-akar‘ in dem Gebiet vorkamen - und Wackernheim leitet sich demnach von dem Kurznamen ,Wacharo‘ bzw. ,Waccharo‘ ab. Die Schreibweise des Dorfnamens variierte in den frühestens Erwähnung des Fuldaer Schenkungsbuch stark: "Uacharenheim, Vuacharenheim, Wacharenheim, Warara im Wormser Gau" (Porth in BIG 7, S. 17).

Bis ins 12. Jh. ist die Quellenüberlieferung für Heidesheim und Wackernheim außerordentlich lückenhaft. Es ist jedoch unbestritten, dass im Laufe dieser Jahrhunderte die territoriale Trennung der beiden Orte einsetzte. Während Heidesheim fortan im kirchlichen Territorium lag, entwickelte sich Wackernheim zu einem freien Reichsdorf im Ingelheimer Grund. Noch heute kann man dieses historische Erbe in den Ortswappen erkennen - durch das Mainzer Rad (Heidesheim) und den Reichsadler (Wackernheim).

 

Vom Spätmittelalter bis zum Ende der Franzosenherrschaft

In Sichtweite zur (Heidesheimer; Gs) Schlossmühle lag schon damals Wackernheim, das im Mittelalter als Reichsdorf zum Ingelheimer Grund, einem reichsunmittelbaren Gebiet, gehörte. Unterhalb der noch aus den Fuldaer Urkunden bekannten Martinskirche lag das mittelalterliche Zentrum, »wo die heutige Heerstraße (... wohl für Herrenstraße, also Straße der Herrenhöfe; Gs) an den Adelshöfen und am Gemeindehaus vorbeizog« - und wo sich der Wohnsitz der Edlen von Wackernheim befand, die erstmals mit Emercho von Wackernheim auftauchen.

Die frühmittelalterlichen Besitzungen des Klosters Fulda waren mittlerweile durch Kauf oder Tausch in den Besitz der Dompropstei von Mainz gelangt (Gs).

Ab dem 14. Jh. wurde Wackernheim als Teil des Ingelheimer Grundes mehrfach von dem Kaiser verpfändet und gelangte dadurch Ende des 14. Jhs. an den Pfalzgrafen bei Rhein (Kurpfalz), wobei die Reichsunmittelbarkeit erlosch. Der Bezug Wackernheims zum Ingelheimer Grund und der Einsatz für die Bewahrung der angestammten Rechte blieben aber auch in dieser Zeit bestehen.

Im Jahr 1357 verzichteten die Brüder Store und Emmerich von Wackernheim, Söhne des Johann von Wackernheim, auf Lehensbesitz, den sie "in des Konigissal zu Niderningelnheim und in deme Graben umb den Sal, ess sin thörne, hüsser, hofstete, Zinse, wingarthin, boyme, und was da inne gelegen ist" hatten, zugunsten der dort angesiedelten tschechischen Augustiner (Würdtwein, Mon. Pal. II, 1794, S. 192/193; Gs).

Aus dem späten 15. Jh. stammt auch ein Wackernheimer UFGIFT- UND HADERBUCH mit 17 Wackernheimer Anfragen an den Oberhof.

 

Im bayrisch-pfälzischen Erbfolgekrieg 1503-1507 unter Kurfürst Philipp wurde entgegen seinem Willen in allen Oberämtern gemustert und gerüstet. Im Oberamt Oppenheim mußten die Orte Groß-Winternheim, Sauerschwabenheim, beide Ingelheim, Bubenheim, Elsheim, Stadecken, Finthen, Essenheim, Jugenheim, Badenheim, Büdesheim und Wackernheim 221 Soldaten stellen. Im einzelnen waren es 110 Spießer, 46 Büchsenschützen und 65 Helleparter, dazu kamen 11 Reisewagen, zwei Proviantwagen, halb mit Weinleitern und halb mit Leitern und Flechtwerk. Esch in BIG 7, S. 36

Im Reutlinger-Bericht von 1587 werden auch die Abgabepflichten von Wackernheim an die Kurpfalz notiert:

1. Jeder Haushalt jährlich ein (Fastnachts-) Huhn, ebenso wie die Dörfer Elsheim, Bubenheim und Frei-Weinheim (193v), und

2. Jährlicher Zins: "Sechs Albus sechseinhalb Heller die Gemeinde zu Wackhernheim von einer Au, liegt bei der Ingelheimer Au" (189/19v) - Hatte die Gemeinde Wackernheim damit eigene Fischfangrechte oder Weidenrechte (Weidenschösslinge zum Binden der Reben) auf einer Rheininsel? Mit der "Ingelheimer Au" kann aber nicht die später nach dem Mainzer Erzbischof Andelm Franz von Ingelheim genannte Au bei Mombach gemeint gewesen sein.

Der Einfluss der Kurpfalz auf Wackernheim war groß, wie die Zeit der Reformation zeigt; Wackernheim wurde unter Kurfürst Friedrich III. im Jahr 1565 reformiert... Calvinistisch reformiert blieb es bis in den Dreißigjährigen Krieg, als nach den Siegen der katholischen Kaiserlichen wieder der Katholizismus eingeführt wurde (Gs.) Während Heidesheim nach dem Dreißigjährigen Krieg katholisch blieb, wurde Wackernheim endgültig protestantisch.

Die alte Martinskirche, welche seit dem Jahr 1346 als Pfarrkirche und später auch als Wallfahrtskirche dokumentiert ist, wurde im ausgehenden 17. Jh. von beiden Konfessionen genutzt (Simultanbenutzung; Gs).  Im Zuge der pfälzischen Kirchenteilung von 1705 wurde das Gotteshaus evangelisch und eine Filialkirche der Pfarrei Nieder-Ingelheim (mit der wieder aufgebauten Saalkirche; Gs).
 

Einwohnerstand im 18. Jahrhundert:

a) nach den drei konfessionellen Kirchenbüchern (aus: Porth, BIG 7, S. 21/22):
1737: 255 reformierte, 19 lutherische, 110 katholische Einwohner (korr. Gs statt "Familien")

b)in Widders Beschreibung des kurpfälzischen Dorfes von 1787:
"Die Inwohner beliefen sich voriges Jahr (=1786) auf 91 Familien, 365 Seelen."

Für die Katholiken Wackernheims entwickelte sich die Kirche „Schmerzen Mariens“ zum neuen Versammlungsort; sie war zunächst als Allerheiligenkapelle errichtet worden, ehe die heutige Kirche auf einem von den Freiherren Gedult von Jungenfeld gestifteten Grundstück 1710 bis 1733 erbaut wurde. (In derselben Zeit mussten sich auch die Katholiken Ober-Ingelheims eine eigene neue Kirche bauen, St. Michael; Gs)  Ebenso wie ihr evangelisches Pendant war "Schmerzen Mariens“ eine Filialkirche, gehörte ... zur Pfarrei Nieder-Ingelheim und später zu Heidesheim. Aus dieser Kirche stammt auch der wertvollste sakrale Gegenstand der Pfarrei, eine spätgotische Monstranz, die im Laufe der Zeit »stark restauriert und neu vergoldet«wurde.

Auch die alte Martinskirche, nun ausschließlich zur Benutzung der reformierten Gemeinde, wurde Mitte des 18. Jahrhunderts erneuert, wobei ihr Ostteil weiterhin von Mainzer Dompropstei bezahlt werden musste, weil diese nach wie vor als "Dezimator" für die Einziehung des alten Kirchenzehnten in Wackernheim zuständig war. Die Baukosten des Langhauses übernahm die Geistliche Güteradministration in Heidelberg, während die weltliche Gemeinde für den Erhalt des Kirchturmes und der Friedhofsmauer zuständig war (Porth, S. 31; Gs).

Nach der Eroberung der Gebiete westlich des Rheines durch die Truppen der französischen Revolution  übernahmen die Jakobiner die Macht (Gs.), die ... in Heidesheim einen neuen Ortsvorstand bildeten. Eine ähnliche Entwicklung darf für Wackernheim vermutet werden (fraglich, da Kurpfälzer Gebiete zuerst aus der Munizipalisierung ausgenommen waren; Gs). Freiheitsbäume wurden in den Gemeinden gepflanzt.

Porth, S. 29, berichtet zum Freiheitsbaum:
"Auch in Wackernheim pflanzte man in diesen Tagen eine Freiheitslinde, die aber in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts als angebliches Verkehrshindernis entfernt wurde." (Meinte er das 20. Jh.? Gs) Porths Urteil über die Kurpfälzer Zeit muss man sich nicht unbedingt anschließen: "So erfolgte in diesem jahre (1797) ... auch für unser Dorf das Ende der drückenden kurpfälzischen Herrschaft." Man vgl. dagegen Goethes Gespräch in Ober-Ingelheim 1814!

Vor allem aber bewirkte die französische Zeit ein Ende der Trennung von Heidesheim und Wackernheim. Das Erzbistum Mainz und die Kurpfalz waren seit 1792/1803 Geschichte. Beide Ortschaften gehörten nun gemeinsam zu einer übergeordneten territorialen Einheit, dem Kanton Ober-Ingelheim im französischen DEPARTEMENT DU MONT-TONNERRE. Heidesheim wurde zum Verwaltungsort bestimmt - mit dem Maire Mattes Maus, der beiden Orten vorstehen sollte.


Die Entwicklungen seit dem frühen 19. Jahrhundert

Nach dem Ende der französischen Herrschaft gehörten Heidesheim und Wackernheim ab dem Juli 1816 zur neugegründeten Provinz Rheinhessen im Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Beide Ortschaften blieben somit Teil derselben territorialen Einheit, wobei Wackernheim infolge einer neuen Gemeindeordnung 1821/1822 wieder einen eigenen Bürgermeister erhielt (bis zur Gebietsreform von 1835 gehörten beide Orte nach wie vor zum Kanton Ober-Ingelheim; Gs). Heinrich Klippel sollte das Amt 26 Jahre lang ausüben. Nicht zuletzt wegen der Instandsetzung der Ortsbrunnen, dem Aufbau einer eigenen Feuerwehr und dem Neubau des Rathauses genoss Klippel hohes Ansehen in Rheinhessen, was seine zahlreichen Mitgliedschaften offenbaren.

Die Märzrevolution im Jahr 1848 führte aber in Wackernheim zu erheblichen politischen Turbulenzen, da Klippel abgewählt und Johann Nikolaus Kloos mit 90 zu 40 Stimmen das Amt übertragen wurde. In der Wackernheimer Festschrift (=BIG 7; Gs) heißt es hierzu:

»Wie tief die damalige Spaltung im Ort ging, geht alleine schon aus der Tatsache hervor, dass noch um die Jahrhundertwende von den 90ern und 40ern gesprochen wurde. Angeblich verschwanden zu dieser Zeit einige Ortsbürger in der Rheinpfalz, um die Unruhen zu umgehen«.

In den folgenden Jahrzehnten hatten verschiedene Wackernheimer Familien das Bürgermeisteramt inne, ehe Jakob Kloos Ende des 19. Jhs. eine neue Ära begründen sollte....

Zum Verkehr im 19. Jahrhundert siehe die Unterseite "Eisenbahnbau und Straßenverkehr"

DieAuswanderung in die USA war auch in Heidesheim und Wackernheim ein beliebter Schritt in eine ungewisse, vielleicht aber bessere wirtschaftliche und politische Zukunft. Zu einem beliebten Auswandererziel der beiden Gemeinden entwickelten sich der Mittlere Westen und u.a. das Gebiet rund um Evansville im Bundesstaat Indiana. Familienmitglieder des Wackernheimer Bürgermeisters Klippel z. B. wanderten im Jahr 1855 aus.

Das Unwetter vom 2. April 1876:
In Wackernheim, dessen nordwestlicher Ortsteil bereits im Jahr 1873 durch ein leichteres Unwetter gezeichnet war, kam es
- im Gegensatz zu den schlimm getroffenen Orten Großwinternheim und Heidesheim; Gs - zu keinen Todesopfern; allerdings wurden die Wackernheimer Mühlen am Flutgraben schwer beschädigt - und noch heute liegt in einem Garten der Mühlstraße ein Felsbrocken. Die Auswirkungen des Unwetters hatten zumindest in Wackernheim auch etwas Positives, da in dem aufgewühlten Ackerboden archäologische Überreste aus vergangenen Epochen, wie der Römerzeit, ans Tageslicht befördert wurden...

In den ersten Jahren des 20. Jhs. veränderte die sogenannte Selzstellung ... gerade Wackernheim erheblich. Die Selzstellung war Teil eines befestigten Verteidigungsrings um Mainz und sollte im Kriegsfall militärischen Angriffen standhalten. Ab dem Jahr 1909 wurde daher bei Wackernheim das Fort Rabenkopf mit Munitionsraum, Befehlsstelle und weitläufigen Zufahrtsstraßen errichtet - der Ursprung des heutigen Kasernengeländes und Wegenetzes zwischen Wackernheim, Ingelheim und Heidesheim. Am 11. April 1910 kam mit Kaiser Wilhelm II. hoher Besuch nach Wackernheim, um sich von dem Baufortschritt zu überzeugen. Durch den Bau der Verteidigungsanlagen erhielt Wackernheim sogar endlich einen Bahnanschluss, die Festungsbahn, die aber lediglich Militärpersonal zu den Befestigungen befördern sollte.

Die Selzstellung sollte aber im Ersten Weltkrieg nicht zum Einsatz kommen, und nach Kriegsende ließen die siegreichen französischen Besatzungstruppen viele Anlagen schleifen, übernahmen aber das Militärgelände in Wackernheim und das Munitionsdepot in Uhlerborn. Im Jahr 1922 ließen die Besatzungstruppen am Haxthäuser Hof bei Wackernheim eine Kaserne mit Flugplatz errichten, die das 33. Französische Fliegerregiment nutzen sollte. Die Festungsbahn blieb zwischen Wackernheim und Finthen erhalten, um den Flugplatz zu beliefern, wovon heute noch der Verladebahnhof in einem Feld südlich von Wackernheim kündet.


Die Zeit des Nationalsozialismus

Nur drei Jahre nach dem Abzug der Franzosen (1930; Gs) war die Weimarer Republik Geschichte. Die natio-nalsozialistische Machtübernahme (1933) zelebrierten Heidesheim und Wackernheim gemeinsam mit einem Festumzug mit ,Höhenfeuer‘ auf dem Rabenkopf.

Die Analyse Wackernheims im Nationalsozialismus bleibt aber nach wie vor ein Desiderat der Forschung. Dazu gehört neben der Rolle des evangelischen Pfarrers Adam Hartmann, der nach anfänglicher Sympathie für die sogenannten Deutschen Christen offenbar einen Kurswechsel vollzog, auch die Nutzung des Kasernengeländes in dieser Zeit. Als eine ihrer ersten Maßnahmen hatten die Nationalsozialisten Arbeitskommandos gebildet, um die Kasernen zu renovieren. Im Jahr 1935 zogen Österreicher auf das Gelände, wahrscheinlich ein Teil derjenigen Nationalsozialisten, die nach dem gescheiterten Juliputsch im Jahr 1934 das Land verlassen hatten. Nach dem Anschluss Österreichs (1938; Gs) verließen sie Wackernheim wieder.

Von dort haben sich österreichische SA-"Legionäre" im November 1938 an der Verwüstung von Synagogen und jüdischen Wohnungen in Ingelheim, Sprendlingen, Wallertheim, Partenheim und Jugenheim beteiligt (Meyer Freudige Gefolgschaft 2011, S. 670 und Müller 2020, S. 50-52). Sie spielten dabei nach Müller sogar als "Rollkommando" "eine zentrale Rolle".

Das Thema dieser SA-Leute, die nach dem gescheiterten Juliputsch in Österreich ins Reich geflüchtet waren und von denen im März 1938 immerhin 1.700 Mann in einem nicht mehr benötigten Wackernheimer Lager des Reichsarbeitsdienstes untergebracht gewesen sein sollen, wird von Müller als noch nicht ausreichend erforscht bezeichnet.

Der Zweite Weltkrieg brachte für beide Gemeinden zwar keine Zerstörungen; dennoch waren auch Heidesheim und Wackernheim in die nationalsozialistische Kriegs- und Vernichtungsmaschinerie eingebunden. Während in Wackernheim ein deutsches Bataillon stationiert war, existierte in Uhlerborn ein Arbeitslager für sowjetische Kriegsgefangene.

Nach dem Krieg:
In Wackernheim, dessen Kasernengelände amerikanische Soldaten kommen und gehen sah, entstanden die MCCULLY BARRACKS, die noch in den 1990er Jahren erhebliche Investitionen sahen: »The United States took over the site in 1959 and built it into a modern military heliport. [...] In 1990, it invested US$ 26.4 million to construct two state-of-the-art helicopter maintenance hangars, a sum representing almost 20 % of the US Army’s annual military construction budget for Germany«

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg ...

...  baute die katholische Filialgemeinde Wackernheim ihre Kirche „Schmerzen Mariens“ mehrfach aus ...

Seit dem Jahr 1969 sind Heidesheim und Wackernheim Teil des Landkreises Mainz-Bingen, und im Jahr 1972 schlossen sich die beiden Gemeinden im Rahmen einer Verwaltungsreform zu einer Verbandsgemeinde zusammen. Seitdem entstanden zahlreiche Neubaugebiete... Wackernheim wuchs seit den 1970er Jahren beträchtlich; während das Baugebiet „Roter Sand“ nicht realisiert wurde, entstanden u.a. die Wohngebiete „Östlich der Kleinen Hohl“ (Auf der Unter) und - seit dem Jahr 2018 – „ln den 30 Morgen“.

Mit diesen letzten Zeilen des Aufbruchs ist die Gegenwart erreicht. Die Fusion schreibt vielleicht in den nächsten Jahrzehnten neue Kapitel der Orts- und Baugeschichte für Heidesheim und Wackernheim.

Die Zeit vor der Fusion war geprägt von einem intensiven ortspolitischen Diskurs, der die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Heidesheim und Wackernheim offenbarte. So vielseitig die Meinungen über die Fusion in beiden Ortschaften waren, so vielseitig ist auch deren Geschichte, die so viel Verbindendes wie Trennendes bereithält. Durch die Fusion wird wahrscheinlich aber das nächste Kapitel Heidesheimer und Wackernheimer Ortsgeschichte eng miteinander und vor allem mit Ingelheim verbunden sein.

Die längere Zeit in Wackernheim umstrittene Fusion mit Ingelheim wurde durch den Bürgerentscheid vom 8. November 2015 möglich, bei dem sich eine deutliche Mehrheit von 62,9 % gegen die Alternative des Beitritts zur Verbandsgemeinde Gau-Algesheim und damit für Ingelheim entschied. Letztlich vollzogen wurde der Beitritt zur Stadt Ingelheim (zusammen mit Heidesheim, wo der Beitritt unumstritten war) zum 1. Juli 2019 nach einer längeren Übergangszeit.

 

Gs, erstmals: 10.01.20; Stand: 02.05.21