Autor: Hartmut Geißler
in Zusammenarbeit mit Anke Karioth und André Madaus (ab 2017)
Eine Villa rustica war ein größeres oder kleineres Landgut, dessen Gebäude von einer Hofmauer umgeben waren. Die Villae lagen einzeln über das Land verstreut und inmitten ihres Grundbesitzes, also nicht konzentriert in Dörfern. Etwa 70 Prozent der römischen Provinzbevölkerung lebten in Villae rusticae. Eine solche Siedlungsweise setzt einen verlässlichen inneren Frieden voraus, die "Pax Romana", und außerdem städtische Märkte zum Absatz der produzierten Überschüsse. Für die Villae im Ingelheimer Raum dürfte Mainz mit seinem Legionslager der wichtigste Absatzmarkt gewesen sein.
In Möckenlohe, nördlich von Neuburg a. d. Donau, wurde eine einfache Villa rustica wiederaufgebaut. Ähnlich wie diese wird man sich auch eine Ingelheimer Villa rustica vorstellen müssen.
Der Verein der Möckenloher Villa bietet auch Führungen an.
Mauerreste einer einfachen Villa sind in Heidesheim noch in der Georgskapelle erhalten: zwei Wände bis unters Dach, zum Teil mit originaler Fugenbemalung außen und Wandputz innen.
In Bingen-Kempten wurden 1984 die Reste einer weiteren Villa rustica ergraben, deren reiche Wandmalereien einen hohen kulturellen Standard belegen. Eine vermutlich sogar noch größere Anlage stand im Ingelheimer Ortsteil Großwinternheim. Es gab aber auch zahlreiche deutlich kleinere Höfe.
Peter Haupt schreibt über die Ingelheimer Villae rusticae:
„Trotz der mit Sicherheit anzunehmenden Zerstörung vieler Villae rusticae in den Alamannenstürmen der 70er Jahre des 3. Jhs. und Mitte des 4. Jhs. sind viele bis weit in das 4. Jh. in Betrieb gewesen. Für eine relativ kleine Villa östlich der Eulenmühle bei Groß-Winternheim liegt mit einer Datierung in die 90er Jahre des 4. Jhs. eine der spätesten Zeitangaben für römische Höfe in Rheinhessen überhaupt vor.“
(Katalog S. 25)
In dieser Karte von 1905 (Brilmayer) wurden die unten folgenden Fundorte einerseits des Vicus an der Straße Finthen-Bingen sowie andererseits der Landgüter (Villae rusticae) aus dem Ausstellungskatalog von Peter Haupt mit ihren dort fortlaufenden Nummer rot eingetragen (als V56 - V69).
Wie man sieht, reihen sie sich von Großwinternheim im Selztal hinab bis Ober-Ingelheim sowie an der im Rheintal verlaufenden einen Römerstraße zwischen Heidesheim und Gaulsheim entlang.
V 56 auf dem Rand des Plateaus östlich von Groß-Winternheim und V 67 auf dem Nieder-Ingelheimer Böhl nehmen dabei eine gewisse Sonderstellung ein.
Im Binger Wald bei Waldalgesheim sind die Grundmauern einer Römervilla ausgegraben worden. Den gefundenen Münzen nach zu urteilen, wurde sie von ihren Besitzern in unzerstörtem Zustand um 420 n. Chr. verlassen. Das Hauptgebäude oder Herrenhaus besaß eine umfangreiche Badeanlage. Das 3,8 Hektar große Gehöft war von einer 2 Meter hohen und 850 Meter langen Mauer umgeben. Zur Villa gehörten etwa zehn steinerne Nebengebäude wie Ställe, Werkstätten und Unterkünfte für die Arbeiterfamilien und Tagelöhner. - Wir danken der Stadt Bingen für das Copyright: Paul Nicolay©Stadt Bingen
Eine in Bad Kreuznach in mehreren Etappen teilweise ausgegrabene Palastvilla, deren prachtvolle Mosaikböden und andere Funde in der Kreuznacher Römerhalle ausgestellt sind, ist mit den herkömmlichen Villae nicht vergleichbar. Hierbei handelte es sich nicht um einen landwirtschaftlichen Betrieb, sondern um das Wohnhaus eines vermutlich durch Handel zu außerordentlichem Reichtum gelangten Besitzers. Solche Großbauten sind aus Ingelheim nicht bekannt.
Allgemeine Informationen zu Villae rusticae:
https://de.wikipedia.org/wiki/Villa_rustica
Bei Wikipedia findet sich außerdem eine Liste mit Villae rusticae:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Villae_rusticae#Deutschland