Autor: Hartmut Geißler
nach: Klausing in Meyer/Klausing, S. 118 ff.
und nach der (ergänzten) Schautafel seiner Lebensdaten in der Ausstellung 2011
In ihrem Beitrag "Die Revolution des Geistes und die Ingelheimer NS-Funktionäre" untersucht Caroline Klausing die Lebensläufe einiger zentraler Ingelheimer Persönlichkeiten, die an der Spitze der wichtigsten kommunalen NS-Organisationen oder der nationalsozialistischen Kommunalverwaltung standen. Sie kommt dabei zu allgemeinen Aussagen über ihre soziale Zusammensetzung, die auf der Seite "Ingelheimer NS-Funktionäre" wiedergegeben werden.
Hier soll in Anlehnung an die Schautafel der Ausstellung der Lebenslauf des späteren ersten Bürgermeisters der vereinigten Stadt Ingelheim dargestellt werden, des Lehrers Franz Bambach, der auch nach dem Krieg in Ingelheim noch politisch tätig war.
1. 7. 1895 | geboren in Bensheim/Bergstraße |
1915-1918 | Kriegsdienst im Geschwader Richthofen als Leutnant der Luftwaffe (EK I und II, Flugzeugführerabzeichen) |
1921-1933 | Lehrer an der Volksschule Nieder-Ingelheim; ab 1923 Rechner in der Nieder-Ingelheimer Winzergenossenschaft |
1930 | Ortsgruppen- und Kreisleiter des "Stahlhelms", eines paramilitärisch organisierten Wehrverbandes, der kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges gegründet wurde und als bewaffneter Arm der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) diente |
1932 | Unterstützung des Stahlhelm-Kandidaten Theodor Düsterberg bei der Reichspräsidentenwahl, also nicht des gleichfalls kandidierenden Adolf Hitler |
1933 | Mitgliedschaften in Ingelheim: Sturmbannführer z.b.V. in der SA, in die der Stahlhelm 1934 integriert wurde; Mitglied der "Eisernen Front", des Reichsbundes Deutscher Beamter, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, des Nationalsozialistischen Flieger-Korps (als Sturmbannführer z.b.V.), des Reichskolonialbundes, des Reichsbundes für Leibesübungen, des Reichsluftschutzbundes, des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland, des Soldaten- und Kriegervereins Nieder-Ingelheim, des Deutschen Roten Kreuzes, des Nieder-Ingelheimer Karnevalsvereins, der Winzergenossenschaft Nieder-Ingelheim, des Deutschen Sängerbundes (als Dirigent des Männergesangvereins "Schubert-Quartett") |
1933 | kommissarischer Bürgermeister von Nieder-Ingelheim, Absetzung des Vorgängers, Auflösung des Gemeinderates |
1936-1937 | Mitglied der NSDAP (Nr. 3774981) und Organisationsleiter, Beförderung zum Oberleutnant der Reserve |
1939 | Ernennung zum Bürgermeister der Stadt Ingelheim am Rhein; Beförderung zum Hauptmann |
1939-1945 | Kriegsdienst in der Luftwaffe, Luftwaffenmajor in Aulnat (bei Clermont-Ferrand), dort Flugplatzkommandant und Mitglied des Sicherheitsdienstes (SD); Ehrenkreuz für Frontkämpfer, Treuedienst-Ehrenzeichen |
1945-1948 | in russischer Kriegsgefangenschaft |
1948-1949 | Internierung im Militärgefängnis Lyon |
1949 | Einstufung als "Mitläufer" im Entnazifizierungsbescheid, keine Verhängung einer Geldbuße, aber als Sühnemaßnahme Aberkennung der Wählbarkeit, was später durch ein Amnestiegesetz hinfällig wurde |
1952 | Mitglied des Ingelheimer Stadtrates über die "Liste 6, Wählergruppe Bambach" |
1956-1960 | Beigeordneter der Stadt Ingelheim |
13.01.1963 | verstorben |
Fortgelassen wurden in der obigen Tabelle Hinweise auf Handlungen Bambachs, durch die er sich schuldhaft innerhalb der NS-Herrschaft verhalten hat, die im Folgenden angefügt werden.
Caroline Klausing stellte fest:
"Die tatsächlich Einstellung Bambachs bleibt unklar, seine Handlungsweise mindestens ambivalent. Einerseits geriet er allem Anschein nach wiederholt mit lokalen Parteifunktionären in Konflikt, die Motive hierfür bleiben allerdings offen. Zudem habe er sich, so die Aussage des ehemaligen Ober-Ingelheimer Bürgermeisters Dr. Georg Rückert, zugunsten jüdischer Mitbürger und politisch oppositionell eingestellter Personen eingesetzt. Hierfür lassen sich jedoch keine schriftlichen Belege finden.
Die Frage, inwieweit die im Rahmen der Spruchkammerverfahren getätigten Aussagen Glaubwürdigkeit besitzen, bleibt ungeklärt.
Andererseits zeigte er den Anstreicher Josef Aschwanden, einen Ingelheimer, wegen Verstoßes gegen das Heimtückegesetz an, der sich im Stile der Obrigkeitsschelte über Hitler, Heß, Göring und auch Bambach kritisch geäußert hatte. Er entzog ihm teilweise den Auftrag im Rahmen des Krankenhausneubaus und ließ den Gemeinderat beschließen, ihn von weiteren Arbeitszuteilungen vollkommen auszuschalten." (S. 133/4)
Die Ausstellungstafel legte ihm noch weitere Verhaltensweisen zur Last, die sich gegen folgende Personen und Gruppen richteten:
- gegen SPD-Funktionäre
- gegen den aus dem KZ entlassenen Schneidermeister Franz Theuerkauf
- gegen die Ausgabe eines Reisepasses für die Jüdin Frieda Mayer
- gegen einen obdachlosen Juden Benno Michel
- gegen Jakob Harth II., weil dieser mehrfach nicht geflaggt hatte
- gegen die israelitische Gemeinde Ober-Ingelheim, die die Aufräumarbeiten an der zerstörten Synagoge - wie überall im Reich - selbst bezahlen musste
- gegen französische Partisanen 1944 in Aulnat
Aus heutiger Entfernung wird man wohl seinem Verhalten in der Nazizeit kaum völlig gerecht werden können, auch wenn die Einstufung als "Mitläufer" durch die Entnazifizierungs-Spruchkammer als zu milde erscheint.