Autor: Hartmut Geißler
aus: Loersch, S. 498-99 nach Susenbeth
"Gemeiner Bürger Eid. Aus Susenbeth's Special-Extract (1644), Bl. 35.
Ein ieder, der zu einem bürger und inwohner allhier zu Ober I. angenommen wird, soll einen adelichen oberschultheissen Churfürstlicher Pfalz und dieses flecken handtrew thun, die aid zu gott und seinem wort schweren, den durchleuchtigsten &c. als pfands-, schutz- und schirmherr vor seinem gnedigsten herrn zu haben, getrew, holt, gewertig und gehorsamb zu leisten, ihren besten, frommen, ehr und nutz fordern, ihren schaden wahrnen und wenden, und ob er etwas erführ, das dem landherrn und dero herschaft ahn rath, ahn lob rechtschaft, feindschaft, nachtheil oder schaden bringen möchte, dasselbig zum forderlichsten einem schultheissen und rath, edel und unedel, anbringen und anzeigen, darmit schaden verhüt wird. Alles getrewlich und ohngefehrlich.
Im gleichen fall soll er an statt Churfürstlicher Pfalz oder possessorn des Ingelheimers grunds einen rath, edel und unedel, allhier zu Ober I. in allen ehrlichen sachen gehorsamb leisten und beweisen, sich denen nit wiederspenstig und aufsetziger weis nit wiedersetzen. Alsdann soll der landsherr sein beschützer sein.
Darnach soll er geloben, ob es sich uber kurz oder lang begebe und zufüge, das er mit einem inwohner allhier zu I. in irrung, gespän, hader oder zank keme, das er nach reichs ordenung, gebrauch und recht recht wöhl nehmen und gelden, und sein wiederparthei, damit er in unfrieden statt, mit keinem anlandischen recht annehmen.
Fürter soll er keinen nachfolgenden herrn, deme er zu dienst sitze oder wahre, leibsbeed, fassnachthüner und dergleichen, so zu der leibeigenschaft gehören, geben, sondern dem reich allein verpflicht und verbunden sein, und in sonderheit mit seinem leib, des soll er brief und schein bringen, mit was massen sein sach beschaffen und er von seiner herrschaft gezogen. Und ob es sich zufüge, das er aus diesem flecken und in sonderheit aus dem Ingelheimer grund ziehen wolt, soll er es mit wissen eines adelichen oberschultheissen und rath, adel und unadel, thun, aber nichts destoweniger ein angehöriger und reichsman des Ingelheimer grunds bleiben und sein. Und bleibe er über jahrs frist nach gethanem gelöbnus und aid ohne nachfolgenden herrn alhie sesshaft, soll er wie ein reichsbürger und -man gehalten werden."
Erläuterungen:
handtrew (Handtreu): eine mit Handschlag geleistete Versicherung
gewertig: dienstbereit
ahn: ohne
ohngefehrlich: ohne Verstellung, ohne Täuschung (= Gefehr)
grunds einen rath: gehorsam auch gegenüber den Grundräten (gemeint ist wohl der Dativ - einem Rat)
irrung, gespän, hader oder zank: alle möglichen Arten von Konflikten; auch "irrung" und "gespän" bedeuten Streit, Zerwürfnis
fassnachthüner: ein jährliche Abgabe an einen Leibherren im Wert eines Huhnes
"Bürger" von (Ober-) Ingelheim durfte man nur werden, wenn man keinem fremden Leibherren verpflichtet war. Wer über Jahr und Tag nicht von einem Herren doch beansprucht werden, so war man - wie in Städten - eine freier "Reichsbürger" des Ingelheimer "Reichs". Wer als Bürger des Ingelheimer Reichs fortziehen wollte, musste vorher Schultheiß und Grundrat informieren, durfte dies aber jederzeit tun, blieb jedoch auch im "Ausland" ein Bürger des Ingelheimer Reichs ("Ausleute") mit den Rechten und Pflichten der Bürger.
Gs, erstmals: 21.12.07; Stand: 18.12.20