Autor und Fotos: Hartmut Geißler
Nachdem das Warenzeichen des Ingelheimer Boehringer-Unternehmens zuerst aus den Anfangsbuchstaben von Alberts Vater Christoph Heinrich Boehringer, ergänzt durch "Sohn" , also Albert selbst, bestanden hatte, wechselte man im Jahre 1905 zu einer Darstellung der Ingelheimer "Kaiserpfalz", die sich an den Holzschnitt in den ersten Auflagen von Sebastian Münsters Cosmographie (Bild darunter) anlehnt.
Eine gewisse Notwendigkeit für ein neues Warenzeichen (heute "Logo" genannt) ergab sich aus der Situation, dass Albert Boehringer in diesem Jahr mit der Produktion von Alkaloiden begann, dem ureigensten Gebiet der väterlichen Firma C. F. Boehringer & Söhne in Mannheim, dass aber erstens der Ortszusatz "Ingelheim" im ersten Warenzeichen fehlte und dieses zweitens dem Buchstabenlogo von Boehringer Mannheim zum Verwechseln ähnlich sah.
(Den Hinweis verdanken wir Dr. Siebler, dem Leiter des Boehringer-Archivs).
Zwar hatte sich das Wissen um die Existenz der alten Pfalz Karls des Großen über die Jahrhunderte lebendig erhalten, aber vor den systematischen Ausgrabungen des 20. (und 21.) Jahrhunderts gingen die Vorstellungen, wie sie ausgesehen habe, eher von den beiden Darstellungen in Sebastian Münsters Cosmographie aus, die den "Ingelheimer Saal", wie das Gebiet in Ingelheim genannt wurde (seit wann, ist unklar), in zwei Versionen abbildete, und zwar umgeben von Wehrmauern und Wehrtürmen sowie mit Gebäuden und einer Kirche darin. Denn nachdem die Pfalz nicht mehr zu großen Reichsveranstaltungen genutzt wurde (letztmalig 1043), wurde aus ihr eine ummauerte Reichsburg mit Burgmannen und anderen Bewohnern.
Das Jahr 1905 war zugleich das Jahr, in dem der Historische Verein Ingelheim durch die Initiative der Freifrau Caroline von Erlanger gegründet worden war, die der parallel dazu gegründeten Bibliothek ein Exemplar der Cosmographie geschenkt hatte. Der Verein veranstaltete auch bald Vorträge, und so dürfte der Wechsel im Logo nicht nur auf die Vermeidung einer Verwechslung mit Boehringer Mannheim zurückzuführen sein, sondern auch auf dieses Erwachen des historischen Bewusstseins in Ingelheim, vielleicht sogar ganz konkret auf dieses Exemplar der Cosmographie mit seiner Abbildung des Ingelheimer Saales.
Aus den ersten Mitgliederlisten des Historischen Vereins geht nämlich hervor, dass "Böhringer, Albert, Fabrikant"aus Nieder-Ingelheim Mitglied beim neu gegründeten Historischen Verein war, und im Rechenschaftsbericht für das Jahr 1906 auf der Hauptversammlung vom 3. Februar 1907 wird unter den Spendern auch ein "Herr A. Böhringer" erwähnt.
Vier Jahre später begann Christian Rauch die ersten systematischen Ausgrabungen im Saal, deren Ergebnisse sogar zu der Absicht Kaiser Wilhelms II. führten, die Ingelheim Pfalz ebenso rekonstruieren zu lassen wie das römische Limeskastell "Saalburg" im Taunus. Der Beginn des Ersten Weltkrieges beendete solche Pläne und auch die Ausgrabungen Rauchs.
Nach dem Krieg konnte Prof. Rauch 1922 für einen Vortrag vor dem Historischen Verein gewonnen werden, der am 14. April im Gasthaus "Goldener Hirsch" in Nieder-Ingelheim, Mainzer Straße Nr. 60, stattfand, "mit Lichtbildern". Der Ingelheimer Anzeiger berichtete über die Veranstaltung am 19. April 1922 und zitierte Prof. Rauch mit der Aussage, "dass die Arbeiten so weit gediehen seien, ein einigermaßen vollständiges Bild der Rekonstruktion des Kaiserpalastes" erstellen zu können.
Saß auch Albert Boehringer unter den Zuhörern? Wir wissen es nicht, weil es keine Anwesenheitsliste gibt. Doch möglicherweise wurde durch diesen Vortrag der Anstoß zum Wechsel der Pfalz-Darstellung im Boehringer-Warenzeichen 1924/1925 gegeben.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnissen wurde u.a. ein Grundrissschema der Pfalzgebäude (links unten) angefertigt und vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz auch 1932/33 ein Gipsmodell der Pfalz (rechts unten). Da aber schon im Januar 1926 die Zeitung über ein im Museum vorhandenes Gipsmodell berichete, muss es schon vorher eines gegeben haben, dessen Schicksal bisher ungeklärt ist.
Das Modell von 1932 zeigt eine hochragende Pfeilerhalle in der Mitte des langen Halbkreisbaues (in der rechten unteren Ecke, ohne die Türme), die seit einer provisorischen Benennung durch Carl-August von Cohausen im Jahre 1852 "Heidesheimer Tor" genannt wird, ohne die sechs vorgebauten Türme. (Cohausen: "... eines Vorbaues, den wir das Heidesheimer Thor nennen".)
Diese Vorstellungen von einem repräsentativem Toreingang zur Pfalz Karls des Großen müssen 1924 Pate für das neue Warenzeichen gestanden haben, das seitdem in drei Varianten benutzt wird - es zeigt stets diesen Mittelbau, das "Heidesheimer Tor".
Die folgende Abbildung zeigt eine Erklärung des Logos in der Boehringer-Zeitung, die den Anblick von innen mithilfe eines frühen Modells zeigt.
Unabhängig davon, wie sich die Vorstellungen vom "Heidesheimer Tor" im Laufe der Grabungsgeschichte entwickelt haben, freut es einen Ingelheimer, wenn die Erinnerung daran durch das Logo eines mit Ingelheim so eng verbundenen und weltweit so erfolgreich vertretenen Pharma-Unternehmens seit Jahrzehnten um die Welt geht, das immer wieder durch großzügige Spenden die Erforschung der Ingelheimer Geschichte, auch der Kaiserpfalz, gefördert hat: