Autor: Hartmut Geißler
aus dem Stadtarchiv Ingelheim (Rep III 558a) mit dessen freundlicher Hilfe
Kommentar:
Über dem gedruckten Text stehen zwei handschriftliche Hinweise auf die rechtlichen Grundlagen der Höheren Bürgerschule:
a) Gesetz über die H.B. vom 11. Mai 1901
b) Schulsatzung für die H.B. in Ober-Ingelheim Gemeinderatssitzung 8. Juli 1901
Zum Vorwort:
Lateinunterricht war möglich und wurde, wie aus der folgenden Seite hervorgeht, vom Rektor der Schule, Herrn Schäfer, gehalten.
Weil der Lehrplan staatlich festgelegt war, werden im Folgenden nur die Aufsatzthemen der einzelnen Klassenstufen mitgeteilt, deren römische Ziffern von oben nach unten gehen: Die Klasse VI war also die jüngste Klasse, die "Sexta".
Die IIIa war die "Untertertia", die IIIb die "Obertertia", so wie die Klassen lange Zeit auch an Gymnasien gezählt wurden.
Kommentar:
Aus der Tabelle gehen die unterrichtenden Lehrer und nun auch (unverheirateteten) Lehrerinnen ("Frl." = Fräulein, für Mädchenturnen und Handarbeit) hervor. Schon mit der Prüfungsordnung von 1824 war das Lehramt prinzipiell auch für Frauen geöffnet worden; unterrichtet haben sie aber hauptsächlich in Handarbeitsunterricht u. ä. an den sogenannten Industrieschulen (Berufsschulen).
Die Prüfungsordnung legte noch etwas distanziert fest: Frauenzimmer, welche sich dem Lehramte widmen wollen, [sollen] in allen Fächern, mit Ausnahme der unter A § 9 und 11 (Geometrie und Musik!) genannten geprüft werden.
Im Schuledict von 1832 hieß es dazu in Artikel 11: In Elementarmädchenschulen können auch ausnahmsweise Lehrerinnen angestellt werden, wenn dieselben vorher geprüft und zur Ertheilung des Unterrichts fähig befunden worden sind. Auf sie finden alsdann die Bestimmungen wegen der Lehrer im Allgemeinen Anwendung.
Im Schulgesetz von 1874 (Art. 35) wurden eigene Seminare für angehende Lehrerinnen in Aussicht gestellt: Für die Ausbildung der Aspirantinnen für Anstellung als Lehrerinnen an Mädchenschulen soll gleichfalls durch Errichtung von einem oder mehreren Seminarien gesorgt werden.
Mit der allmählichen Einführung des Schulfaches Turnen am Ende des 19. Jahrhunderts brauchte man zudem Frauen für die turnenden Mädchen.
Heute sind Männer an Grundschulen der Ausnahmefall.
Ferner findet man darin ihre Fächer, ihre Unterrichts-Stundenzahl sowie die zusätzlichen Verwaltungsaufgaben, die ihnen übertragen wurden, ganz rechts. Der "Schulverwalterin" (Vertretungslehrerin) Fräulein Trautwein war die Klassenleitung ("Klassenführerin") der Sexta übertragen worden.
Die "außerordentlichen Lehrer" waren die Religionslehrer, also zwei Pfarrer und der israelitische Religionslehrer Langstädter, eine Handarbeitslehrerin und ein von der Volksschule in Nieder-Ingelheim abgeordneter Musiklehrer.
Die Anmerkungen 1) und 2) können eigentlich nur bedeuten, die diese beiden Personen auch von anderer Seite Vergütungen bekamen, denn von nur 3 bezahlten Unterrichtsstunden konnten sie nicht leben.
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Kommentar:
Die Schülerstatistik gibt die Zusammensetzung der Schüler und Schülerinnen nach Alter, Geschlecht, Religion und Herkunft an sowie die Schülerbewegungen im Schuljahr.
Ihr Glaubensbekenntnis:52 evang., 14, rk., 20 isr., 3 sonstige. Das erlaubt den Rückschluss, dass bei den jüdischen Familien des Ingelheimer Grundes diese Art von Schule überproportional beliebt war, während die Katholiken deutlich unterrepräsentiert waren.
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Kommentar:
Dies ist die Statistik zu den Heimatorten und zur Teilnahme am wahlfreien Lateinunterricht.
Die meisten Schüler und Schülerinnen (42) kamen aus Ober-Ingelheim, mit 20 liegt Nieder-Ingelheim an zweiter Stelle, aus Großwinternheim kamen mit 8 doppelt so viele wie aus Frei-Weinheim, obwohl die Selztalbahn schon seit 1905 fuhr; aus den weiter oben liegenden Orten des ehemaligen Ingelheimer Grundes, die aber alle im Einzugsbereich der Selztalbahn lagen, kamen nur vereinzelt Schüler. Einer (Ernst Linck) musste sogar zu Fuß von Ober-Hilbersheim über den Westerberg laufen, als Quintaner (Fünftklässler) mit 11 Jahren.
Kommentar:
Auf den Namenslisten werden manche heutigten Ingelheimer ihre Vorfahren wieder finden.
Angegeben sind hier auch die Herkunftsorte (außer OI), Ein- und Austritte während des laufenden Schuljahres sowie die Teilnahme am (freiwilligen) Lateinunterricht.
Kommentar:
Hier werden die personellen und außergewöhnlichen Ereignisse des abgelaufenden Schuljahres angeführt:
- Schüleraufnahmen
- Besuch eines Schulaufsichtsbeamten
- Tod einer Schülerin
- Lehrerversetzungen und eine Beförderung
- ein Tagesausflug der gesamten Schule nach Kreuznach mit Wanderung
- die Feiern zu den "vaterländischen Festen"
- Dank für Geschenke für die Sammlungen
Außerdem werden die fünf Mitglieder des Schulkuratoriums genannt, das aus dem Rektor der Schule, dem Bürgermeister von OI, zwei Weinhändlern und einem Kaufmann bestand.
Das Kuratorium war eine Art Aufsichtsgremium für die Schule, vor allem über ihre Finanzen und ihr Personal.
Kommentar:
Die Seite 7 enthält wichtige Informationen für die Eltern:
- Ferien des nächsten Schuljahres
- Übergangsmöglichkeiten in weiterführende Schulen (Gymnasien), wofür der Besuch des Lateinunterrichts von besonderer Bedeutung war
- Aufnahmebedingungen für das nächste Schuljahr
- Höhe des Schulgeldes, über das sowohl das Kuratorium als auch der Gemeinderat von Ober-Ingelheim entschieden
Weiter zum Schulgeld:
- wegen der Finanzsituation der Schule gibt es keine Befreiungen
- die Reduzierung für besonders erfolgreiche Schüler wird reduziert
- Geschwisterkinder erhalten weiterhin Ermäßigung
Eltern erfahren im folgenden Schuljahr die Termine der schriftlichen Arbeiten, um sie nach Rückgabe einsehen zu können, möglicherweise weil sie von manchen Schülern zuvor verheimlicht wurden.
Gespräche von Eltern mit Lehrern sind ausdrücklich erwünscht, nicht nur vor der Versetzung (damals an Ostern).
Alle Privatstunden für Schüler müssen der Schulleitung mitgeteilt werden!
Aufruf zur Förderung häuslicher Lektüre, aber Warnung vor "Schund- und Schandliteratur" - was verstand man damals darunter?
Aufnahmetermine und -formalien