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Die Ingelheimer Schulen zur Zeit des Nationalsozialismus

 

Autor: Hartmut Geißler

nach: Franz Diehl, "Den machtpolitischen Zugriff auf die Schule zu sichern", in:
Meyer/Klausing: Freudige Gefolgschaft, 2011, S. 203-221

Viele neue diesbezügliche Details hat Christian Müller 2020 in seiner Master-Arbeit an der Universität in Mainz über die Novemberpogrome in den rheinhessischen Landgemeinden zusammengetragen.


Eine detaillierte Geschichte aller Ingelheimer Schulen in der Zeit der NS-Diktatur wird sich wegen fehlender Quellen nicht mehr verfassen lassen. Franz Diehl, ehemals Studiendirektor am Sebastian-Münster-Gymnasium, der Nachfolgeschule der damaligen Höheren Bürgerschule, hat dies für diese Schule versucht. Seine Ergebnisse lassen sich wahrscheinlich teilweise auch auf die Grundschulen übertragen. Er fasste die Gleichschaltung der Höheren Bürgerschule am Ende folgendermaßen zusammen (S. 218):

"Die Einflussnahme des nationalsozialistischen Staates, seiner Organisationen und Parteigänger veränderten das Gesicht der Höheren Schule in Ingelheim, ohne dass dadurch traditionelle Strukturen, wie das Nebeneinander verschiedener Schularten, Fächer und Lehrämter, gänzlich aufgelöst worden wären.

Auch herkömmliche Ziele und Methoden von Erziehung und Unterricht bestanden weiter, sie wurden aber durch die nationalsozialistische Schulpolitik, die Tätigkeit nationalsozialistischer Einrichtungen, wie der Hitler-Jugend, und nationalsozialistisch gesinnter Lehrer bekräftigt, mit neuen Zielen der herrschenden Ideologie, z. B. Vorgaben für den Geschichtsunterricht und einen rassistisch akzentuierten Biologieunterricht, verbunden oder weitgehend entwertet, wie in den letzten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft der Religionsunterricht.

Neben den üblichen, unterschiedlich begründeten personellen Veränderungen im Lehrerkollegium und in der Schülerschaft, trafen politisch-ideologisch motivierte Eingriffe einzelne Lehrer, so den demokratisch gesinnten Studienrat Karl Balser oder den jüdischen Religionslehrer Ludwig Langstädter, und die jüdischen Schülerinnen und Schüler. Gegen deren Entfernung aus der Schule regte sich kein erkennbarer Widerstand."

Als Nationalsozialisten traten vor allem Lehrer der Volksschulen auf, und zwar

- Kreisschulrat Dr. Wilhelm Haag (OI)
- Rektor Adolf Matthes mit seinem Kollegen Gustav Hermann (beide OI)
- Franz Bambach (NI, auch Bürgermeister)

Matthes und Hermann taten sich am 10.11.1938 bei den Verwüstungen jüdischer Wohnungen und der Synagoge in Ingelheim besonders hervor (Vey, Hakenkreuz, S. 197).


Die Volksschulen in Ober- und Nieder-Ingelheim sowie in Frei-Weinheim wurden 1939 nach der Vereinigung zur Stadt, die eine Unterscheidung der Schulen nötig machte, nach Nationalsozialisten umbenannt:

- die Volksschule von Ober-Ingelheim in "Horst-Wessel-Schule"
- die Volksschule von Nieder-Ingelheim in "Hans-Schemm-Schule"
- die Volksschule von Frei-Weinheim in "Herbert-Norkus-Schule"

Horst Wessel hatte den Text der Parteihymne der NSDAP verfasst, das "Horst-Wessel-Lied"; Hans Schemm war NS-Gauleiter und Kultusminister Bayerns und kam bei einem Flugzeugabsturz 1935 ums Leben; Hans Schemm war 1932 als HJ-Mitglied von Kommunisten umgebracht worden und galt seitdem als vorbildlicher "Blutzeuge" der "Bewegung".

 

Gs, erstmals: 13.08.13; Stand: 06.12.20