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Der Ober-Ingelheimer Kaplan Jakob Bergmann


Autor: Hartmut Geißler
nach: Dürsch, Bergmann, in Meyer-Klausing, S. 638-648


Jakob Bergmann wurde am 20.01.1900 als Sohn des Landwirtes und Gastwirtes Adam Bergmann in Mühlheim-Dietesheim am Main geboren. Er besuchte das humanistische Gymnasium in Offenbach und studierte anschließend am Priesterseminar in Mainz, wo er am 20.03. 1926 zum Priester geweiht wurde.

Wegen einer Lungenerkrankung wurde er im Allgäu behandelt und war auch dort (in Wangen) als Kaplan an einer Kinderklinik tätig.

Im Mai 1933 übernahm er (bis zum April 1936) das Amt eines Kaplans in St. Michael in Ober-Ingelheim, um den erkrankten dortigen Pfarrer Schäfer weitgehend zu vertreten.

Über seine Zeit in Ingelheim (und anschließend in Mainz-Marienborn) ) verfasste er eine "Chronik", die er bis 1942 führte und die er im August 1946 auf Anforderung des bischöfliche Ordinariates nach Mainz  schickte, in einem Begleitschreiben von ihm als "Entwurf" bezeichnet. Sie war für Dürsch eine sehr aufschlussreiche Hauptquelle für die Situation der katholischen Gemeinde Ober-Ingelheim im Nationalsozialismus. Das Schriftstück liegt im Dom- und Diözesanarchiv in Mainz, Abt. 52/54, fol. 20 f, S. 386.

Zweimal geriet Kaplan Bergmann in einen Konflikt mit den Nazis, deren zweiter sogar ein überregionales Echo auslöste.


1. Der Streit über ein Flugblatt im Sommer 1934

In der Ober-Ingelheimer Volksschule (heute Päsident-Mohr-Grundschule) erteilte Bergmann katholischen Religionsunterricht. Auf dem Weg in die Schule las er ein ausgehängtes Flugblatt der Hitlerjugend, Unterbann 4/117, Abt. Bingen, in dem mit Bezug auf die angebliche Unterstützung der Separatisten durch katholische Priester diese global als "Ausgeburt der Hölle" diffamiert wurden. Darüber empörte sich Bergmann und geriet in einen heftigen Streit mit zweien seiner strammen NS-Lehrerkollegen, Friedrich Geiss (aus Engelstadt) und Gustav Herrmann (aus Alsfeld). Beide waren zusammen mit ihrem Rektor Mathes die Hauptakteure bei der Zerstörung der Ingelheimer Syagoge am 10.11.1938.

Im hitzigen Wortgefecht über die Diffamierung dieses Flugblattes bezeichnete Bergmann die Initiatoren des Aushanges als "Bolschewisten" und nahm sogar die Separatisten in Schutz, sie seinen keine Landesverräter gewesen. Nachdem er über diesen Vorfall das bischöfliche Ordinariat in Mainz informiert und das Plakat bei der Polizei angezeigt hatte, wurde es tatsächlich einen Tag später entfernt.

Bergmann musste aber sein Verhalten gegenüber dem bischöflichen Ordinariat erläutern und nahm in dieser Stellungnahme seine Vorwürfe weitgehend zurück, und nachdem er wohl anschließend noch eine Unterredung mit dem NS-Kreisschulrat Wilhelm Haag hatte, der vorher Lehrer in Ober-Ingelheim gewesen war, wurde seine Suspendierung tatsächlich wieder aufgehoben.

Der Verlauf dieses Konfliktes kann als der seltene Beleg dafür gelten, dass es im Sommer 1934 noch möglich war, sich im Einzelfall auch einmal mit Zivilcourage gegen eifernde Nazis durchzusetzen.

Auch in den nächsten Monaten geriet Bergmann immer einmal wieder mit Ingelheimer Nazis in kleinere Konflikte, z. B. bei seiner lässigen Handhabung des Hitlergrußes in der Schule.


2. Der gemeinsame Weg mit dem jüdischen Kantor der Ober-Ingelheimer Synagoge Ludwig Langstädter


Ein Jahr später, im Sommer 1935, traf Bergmann am Ingelheimer Bahnhof den jüdischen Kantor und Lehrer Langstädter, der gleichfalls in Ober-Ingelheim lebte, und lief gemeinsam mit ihm die lange Bahnhofstraße hinauf nach Ober-Ingelheim. Dabei wurden sie beobachtet und von jemandem fotografiert, wohl in dem Moment, als sie diese Person mit gezogenen Hüten grüßten.

Dieser aus heutiger Sicht völlig banale Vorgang wurde nun nicht nur von den Nazis in Ingelheim, sondern darüber hinaus vom berüchtigten antisemitischen Hetzorgan Julius Streichers, dem "Stürmer", reichsweit ausgeschlachtet, mit dem Tenor, dass offenbar katholische Geistliche ebenso wie die Juden das neue Reich hassten. Foto und Text dazu müssen der Redaktion des Stürmers aus einer Ingelheimer Quelle zugesandt worden sein, ebenso wie den "Offenbacher Nachrichten", die gleichfalls das Bild und einen Text dazu veröffentlichten. Der Geburtsort Bergmanns Dietesheim ist ein Nachbarort von Offenbach.

Es muss also jemand aus (Ober-) Ingelheim ganze Arbeit geleistet haben, um das Ansehen Bergmanns möglichst großräumig herabzusetzen! Personen, die sich an ihm rächen wollten, kann man sich genug vorstellen.

Nach eigenen Angaben in seiner Chronik wurde Bergmann von der lokalen Gestapo-Behörde einbestellt und verhört, ohne dass gravierende Maßnahmen gegen ihn ergriffen wurden. Die Erinnerung daran wurde aber von Ingelheimer Nazis wachgehalten, die Hitlerjugend provozierte ihn wiederholt und verglich ihm mit dem österreichischen Bundeskanzler Dollfuß, der am 25.07.1934 von Nationalsozialisten ermordet worden war ("Ingelheimer Dollfuß"). Man drohte ihm also mit seiner Ermordung!

Auch für Langstädter hatte der gemeinsame Heimweg Folgen: Er wurde von Nazis verprügelt. Bergman ließ sich offenbar durch die Drohungen nicht einschüchtern und besuchte ihn daraufhin zu Hause.

Dass es nicht nur fanatische antisemitische Nazis in Ingelheim gab, zeigt ein Eintrag in seiner Chronik vom 06.09.1935 (Dürsch S. 648); ein anonymer Verfasser habe ihm ein Schreiben zukommen lassen, in dem es hieß:

"Seien Sie stolz darauf, pro nomine Jesu contumeliam pati. [Um des Namens Jesu willen Schmach zu erdulden. Apostelgeschichte 5,41]. Es ist große Zeit und man schämt sich beinahe, noch nicht im Gefängnis zu sein. Haec est hora vestra et potestas tenebrarum. [Dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis. Lukas. 22,53]. Es ist heute ehrenvoll bei den Verfolgten zu sein. Gott segne Sie ... "

Nachdem Pfarrer Schäfer im Jahr 1936 gestorben war, hielt es wohl das bischöfliche Ordinariat für besser, den tapferen Bermann aus der Ingelheimer Schusslinie zu nehmen, und versetzte ihn nach Mainz-Marienborn, wo er von 1936 bis 1965 Pfarrer war.

 

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Gs, erstmals: 25.04.12; Stand: 06.12.20