Autor: Hartmut Geißler
Rudolf Eickemeyer, zeitweise selbst in französischen Militärdiensten, später Maire bzw. Bürgermeister von Gau-Algesheim, beschreibt das Verhalten des französischen "Politkommissares" Merlin de Thionville 1795 folgendermaßen (aus Hinkel, Bürgermeister):
„Während der Soldat und Offizier einen harten Winter hindurch in schlechten Erdhütten liegend, den äußersten Mangel litt, oft einigen Tagen kein Brot oder nur ungenießbares erhielt, während die halbe Armee in den Hospitälern lag und der anderen Hälfte das Elend auf den Gesichtern zu lesen war, lebten Volksvertreter und Commissaren, auch mancher General in Überfluß; das Köstlichste mußte auf Requisition herbeigeschafft werden; man jagte, gastierte, gab Bälle und stellte Bachantinnen an.
Merlin von Thionville, der sich als Conventsmitglied bei dem Belagerungskorps befand, schämte sich nicht, einer aus Mainz ihrem Manne entlaufene Frau, die er als Beischläferin aufgenommen hatte, glänzende Feste zu veranstalten, um ihr ein noch ungesehenes Schauspiel zu geben, während einer Nacht Mainz mit Haubitzen beschießen zu lassen.“
Antoine Christophe Merlin (* 13. September 1762 in Thionville, † 14. September 1833 in Paris), auch nach seiner Geburtsstadt Merlin de Thionville/Diedenhofen genannt, war Jurist und begeisterter Anhänger der Revolution. Er wurde Abgeordneter in den verschiedenen Volksvertretungen der Revolutionsjahre und war ein prominenter Jakobiner. Als Kommissar zur Ausraubung der eroberten Gebiete begleitete er den Feldzug General Custines an den Rhein (17992/93). Nach dem Sturz Robespierres und seines Terrorregimes wurde er einer der zehn Konventskommissare und sogar Präsident des Konventes. Nun verfolgte er die Jakobiner.
Weil er aber gegen das lebenslange Konsulat Napoleons gestimmt hatte, musste er seine politischen Ämter aufgeben und starb als reicher Privatmann.
Gs, erstmals: 26.11.06; Stand: 02.12.20