Autor: Hartmut Geißler
nach Heinrich Steinmetz S. 24/25 ff. und Lehne/Bodmann, Stat. Jahrbücher
Inhalt:
1. Die dazu gehörenden Gemeinden
2. Gemeindestatistik und Bemerkenswertes aus den Gemeinden
3. Landwirtschaftliche Nutzung
4. Konfessionsverteilung
5. Die Selz
6. Die Route Charlemagne
1. Die Gemeinden des Kantons Oberingelheim:
(Petry, Der Ingelheimer Grund, S. 253)
Auf der folgenden Karte liegt
- zentral schwarz umrandet, innen weiß, das Gebiet des ehemaligen Ingelheimer Grundes und östlich, westlich und südlich daran anschließend verschieden gekennzeichnete Gebiete, die nun zum Kanton Oberingelheim hinzu geschlagen wurden:
- zuvor kurmainzisch (gepunktet) waren Mombach (!), Budenheim, Heidesheim mit Wackernheim sowie westlich des Ingelheimer Grundes (Gau-) Algesheim
- zuvor kurpfälzisch (senkrecht gestrichelt), aber dem Oberamt Kreuznach bzw. Stromberg unterstellt waren Horrweiler, Aspisheim, Appenheim, Niederhilbersheim, Engelstadt und Elsheim,
- zuvor nassauisch (dunkel gerastert) war Jugenheim.
Dieser Kanton Ober-Ingelheim bestand auch noch in der nachnapoleonischen Zeit unter der Regierung von Hessen-Darmstadt bis zur Verwaltungsreform von 1835 fort. Als Friedensgerichts-Bezirk existierte er sogar noch bis 1879. (Herbert, S. 128)
2. Gemeindestatistik und Bemerkenswertes aus den Gemeinden:
(Steinmetz S. 25/26)
Der Stand dieser Statistik dürfte (wie der der Departementsdaten von Steinmetz) das Jahr 1806 sein.
Wenn man die Zahlen der Orte der heutigen (2021) Stadt "Ingelheim am Rhein" (Ober-Ingelheim, Großwinternheim, Nieder-Ingelheim, Frei-Weinheim, Heidesheim und Wackernheim) addiert, kommt man auf eine damalige Einwohnerzahl von 6274. Im Jahr 2019 (nach der Eingemeindung von Heidesheim und Wackernheim)hatte Ingelheim 34.710 Einwohner, also etwa fünfeinhalbmal so viel.
Ergänzend zu diesen Daten seien hier noch weitere Angaben aus den (Historisch-) Statistischen Jahrbüchern von Lehne und Bodmann angefügt. 1808 beschreibt Bodmann auf Französisch den ganzen Kanton:
"Ce canton est situé au bord du Rhin et dans les vallées voisines. Il est fertile en vin, en légumes, en grains et fourrages. La Selz et quelques ruisseaux sans nom le traversent en tout sens et y repondent la fertilité..." (S. 68)
(Dieser Kanton liegt am Rhein und in den benachbarten Tälern. Er ist fruchtbar, was Wein, Gemüse, Getreide und Viehfutter angeht. Die Selz und einige namenlose Bäche durchqueren ihn in jeder Richtung und sorgen dort für Fruchtbarkeit. Gs)
1. Zu Oberingelheim:
1800/01 vermerkt Lehne dort ein "reformirtes Spital zur Beherbergung armer Reisenden, nebst Kapitalien zu ihrer Unterstüzzung, von deren Zinsen zum Theil die Ausgaben des Kirchendienstes bestritten werden. Die katholische Gemeinheit hat eine gleiche Anstalt für Reisende und örtliche Armen." Dreimal im Jahr fand hier ein Viehmarkt statt, der einen Tag dauerte, und zwar am 2. Vendémiaire, dem 14. Brumaire und am 24. Germinal, außerdem am 5. jeder Dekade ein Früchtemarkt. Märkte sind ansonsten in dieser Zeit aus keinem anderen Ort des Kantons bekannt. Der Friedensrichter hieß 1800/01 Cämmerer, der Notar Waßmann. Die Tatsache eines Friedensgerichtes in Oberingelheim dürfte wohl der Jahrhunderte langen Tradition von Gerichten in diesem alten Vorort des Ingelheimer Grundes zu verdanken sein.
2. Zu Niederingelheim:
1800/01 notiert Lehne hier: "Nebst zweier Anstalten, wie die soeben [d.h. in Ober-Ingelheim s.o.] angeführten, ist auch in dieser Gemeinde das Missionshaus [d.h. die frühere Cloßsche Stiftung, die Jesuitenmission], in welchem den Armen täglich ein Kornbrod und 30 Kreutzer gereicht wird." Zu diesem Zeitpunkt war diese Mission noch nicht enteignet (erst 1806).
1808 gibt Bodmann S. 69 als bemerkenswert an: "L'ami de l'antiquité se plait à y remarquer quelques débris, reste d'un palais qu'habitait autrefois l'empereur Charlemagne, et dans lequel, dit-on, ce prince reçut le jour."
(= Den Freund des Altertums erfreut es, dort einige Ruinen zu sehen, Reste eines Palastes, den einstmals der Kaiser Karl der Große bewohnt hat und in dem, sagt man, dieser Prinz das Licht der Welt erblickte.) Der Einschub dit-on deutet wohl an, dass Bodmann dieser Sage keinen rechten Glauben zu schenken vermag.
Außerdem gab es in Nieder-Ingelheim eine Zollstation an der Straße Bingen-Mainz. Von dort waren es drei Stationen nach Mainz und 5 Stationen nach Kreuznach (Stand von 1800/01).
3. Zu (Gau-) Algesheim:
1800/01: "Ein Spital zur Pflege der Gebrechlichen und Armen der Gemeinde".
1801/02: "Ses vins ne sont pas sans mérite." (= Seine Weine sind ganz ordentlich.)
3. Die landwirtschaftliche Nutzung des gesamten Kantons Ober-Ingelheim wird im Jahrbuch 1801/02 folgendermaßen unterteilt:
Art der Nutzung | Hektar |
---|---|
Terres labourables = Äcker | 6436,48 Hektar |
Prés = Wiesen, Weiden | 573,84 Hektar |
Vignes = Weinberge | 591,60 Hektar |
Forêts = Wälder | 762,96 Hektar |
Das bedeutet, dass der Weinbau damals auf ca. 7,0 % der Anbaufläche eine eher untergeordnete Rolle spielte, obwohl die Rebfläche allgemein in der französischen Zeit gewachsen ist; er nahm nur wenig mehr Fläche ein als Wiesen und Weiden. Das Schwergewicht der Landwirtschaft lag immer noch im Anbau von Getreide, Hackfrüchten, Gemüse und in Viehwirtschaft.
Zum Vergleich folgt hier die Tabelle des Jahrbuches von 1810 zur Verteilung der landwirtschaftlichen Nutzfläche im ganzen Arrondissement Mayence. Sie benutzt dasselbe Zahlenmaterial wie das Jahrbuch von 1801/02. Aus ihr geht hervor, dass der Kanton Ober-Ingelheim mit 591,60 Hektar Weinanbaufläche ( = 7,0 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche) zwar über einen beträchtlichen Weinanbau verfügte, dass aber im benachbarten kleineren Kanton Bingen absolut (628,32 ha) und erst recht prozentual (18,0%) damals erheblich mehr Wein angebaut wurde:
4. Im Jahrbuch 1801/02 wurde auch die Konfessionsverteilung in den Gemeinden angegeben:
Gemeinde | ehemalige Herrschaft | Kath. | Luth. | Ref. | Jud. | Bev. |
Oberingelheim | Pfalz | 278 | 287 | 809 | 56 | 1430 |
Algesheim | Kur-Mainz | 1156 | 0 | 0 | 16 | 1172 |
Appenheim | Pfalz | 101 | 0 | 481 | 13 | 595 |
Niederhilbersheim | Pfalz | 41 | 0 | 280 | 0 | 321 |
Aspisheim | Pfalz | 104 | 0 | 104 | 0 | 208 |
Horweiler | Pfalz | 2 | 0 | 468 | 0 | 470 |
Budenheim | Kur-Mainz | 292 | 0 | 0 | 0 | 292 |
Mombach | Domkap. Mainz | 556 | 0 | 0 | 4 | 560 |
Freiweinheim | Pfalz | 110 | 9 | 59 | 0 | 178 |
Großwinternheim | Pfalz | 230 | 39 | 280 | 23 | 572 |
Bubenheim | Pfalz | 147 | 16 | 270 | 4 | 437 |
Heydesheim | Kur-Mainz | 811 | 0 | 0 | 11 | 822 |
Wakkenheim | Pfalz | 86 | 21 | 268 | 0 | 375 |
Jugenheim | Nassau-Saarbr. | 0 | 597 | 0 | 43 | 640 |
Engelstadt | Pfalz | 34 | 0 | 385 | 0 | 419 |
Niederingelheim | Pfalz | 370 | 22 | 800 | 8 | 1200 |
Sauerschwabenh. | Pfalz | 127 | 16 | 383 | 15 | 541 |
Elsheim | Pfalz | 168 | 7 | 207 | 0 | 382 |
Summen | 4613 | 1014 | 4794 | 193 | 10614 |
5. Die Selz:
Bodmann beschreibt das Ingelheimer Flüsschen im Jahrbuch von 1811 folgendermaßen (S. 130):
"Die S e l z , ein sehr beträchtlicher Bachstrom, der viele Mühlen treibt, hat ihren Ursprung 5 Kilometer (11/4 St.) weit von der Gemeinde Orbis gegen Kirchheimboland hin. Nachdem sie fast den ganzen Bezirk Mainz, längs den Gemeinden Odernheim, Niederolm und Oberingelheim durchströmt ist, fällt sie bei der Gemeinde Weinheim in den Rhein. Ihre Breite wechselt zwischen 4 bis 6 Meter (12 bis 18 Fuß)."
6. Die Route Charlemagne:
Diese durch Nieder-Ingelheim vom Präfekten neu ausgebaute Straße - genannt Route Charlemagne - beschreibt er so (S. 239):
"Zu den S t r a ß e n d e r z w e i t e n K l a s s e gehört:
1) D i e S t r a ß e v o n B a s e l n a c h N i m w e g e n. Sie fängt im Departement an der Nahebrücke bei Bingen an, geht durch Bingen, Mainz, Oppenheim, Worms, Speier und Germersheim, und darauf ins Departement vom Niederrhein. Sie begreift im Departement [d.h. Dep. "Donnersberg"] eine Streke von 137,372 Metern.
Der Weg von Bingen nach Mainz, der eine Ausdehnung von 25,878 Metern [=25,8 km] hat, gehört zu den am besten angelegten Parthien des Departements.
Wegen einigen aufgefundenen Trümmern einer alten Straße, welche, der neuen beinahe gleichlaufend, den Rhein hinabzieht, hat man derselben den Namen S t r a ß e K a r l s d e s G r o ß e n gegeben. Der Theil dieser Rheinstraße, der zwischen Mainz und Germersheim, vom Flusse mehr oder weniger entfernt, fortläuft, bedarf einer großen Ausbesserung."
Gs, erstmals: 03.11.05; Stand: 22.03.21