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Die Synode von Ingelheim 972 zur Nachfolge des Bischofs Ulrich von Augsburg

 

Autor: Hartmut Geißler

Nach Gerhards Lebensbeschreibung des Hl. Ulrich von Augsburg (Gerhardi Vita S. Oudalrici Ep.) in: MGH SS 4, S. 408/9; neu 2007, auch mit Einleitung, in: MGH Conc. 6.2, S. 324-331

 

Nachdem Otto I. das Weihnachtsfest 971 in Ravenna verbracht hatte, hielt er sich im April und der ersten Maihälfte 972 in Rom auf, zu Verhandlungen mit dem Papst und zur Verheiratung seines Sohnes mit einer byzantinischen Prinzessin, die nach langen Eheverhandlungen in der Person der etwa 12jährigen Theophanu/Theophano mit großem Gefolge und Geschenken von Konstantinopel nach Rom geschickt wurde, wo die feierliche Vermählung am 14. April 972 stattfand. Spätestens am 25. Mai war die um Theophanu und ihr zahlreiches Gefolge vergrößerte Familie wieder in Ravenna und blieb vorerst in Oberitalien (Brixen, Pavia, S. Ambrosio bei Mailand), überquerte im August jedoch die Alpen und war am 14. August in St. Gallen, dann bis mindestens zum 25. August in Konstanz.

Danach reiste man weiter an den Rhein, wo im September 972 eine Bischofssynode in Ingelheim stattfand, und zwar wie schon 948 in der Remigiuskirche.

Kenntnis von dieser Bischofssynode haben wir hauptsächlich durch Gerhards Lebensbeschreibung des Hl. Ulrich (Oudalrich) von Augsburg (890 - 973), eines engen Beraters und häufigen Begleiters Ottos, der (Oudalrich) sich besonders um die Verteidigung Augsburgs gegen die Ungarn verdient gemacht hatte. Da Gerhard die Synode als Augenzeuge und Beteiligter miterlebte, kommt seiner Darstellung ein hoher Quellenwert zu.

Verhandelt wurde in Ingelheim über die Nachfolgeregelung des greisen Bischofs von Augsburg (im Jahr 972 schon 82 Jahre alt).

Es waren „die Erzbischöfe Ruotbert von Mainz mit acht, Gero von Köln mit drei, Dietrich von Trier mit drei, Adalbert von Magdeburg mit zwei Suffraganen (untergeordneten Bischöfen; Gs); ohne Bischöfe waren Friedrich von Salzburg und Adaldag von Hamburg erschienen.“ Erstmals seit 948 und letztmalig vor der Mainzer Synode von 1049 waren somit alle deutschen (Erz-)Bischöfe in Ingelheim versammelt – es war also eine der wichtigen deutschen Synoden, die damals hier stattfand.

In der detaillierten Beschreibung durch Gerhard, einen Beteiligten und Augenzeugen, bekommen wir einen seltenen Einblick in ein Stück Personalpolitik Ottos I. (und seines Sohnes), denn die Besetzung des Fürst-Bistums Augsburg war – neben der geistlichen – auch eine wichtige politische Angelegenheit. Im Jahr zuvor hatte Bischof Ulrich zusammen mit seinem Neffen Adalbero, dem Abt von Ottobeuren, Rom besucht und dürfte dabei mit der päpstlichen Verwaltung auch über seine Nachfolgevorstellungen gesprochen haben. Anschließend hatten beide Otto I. in Ravenna aufgesucht, wo dieser der (Ausnahme-)Regelung schon zugestimmt hatte.

Zum Verlauf der Synode:

Zu Beginn der Synode in Ingelheim sahen nun die anderen Bischöfe,...

„ … dass Adalbero öffentlich den Bischofsstab trug, [und] wurden zornig auf ihn und sagten, dass er gegen das kanonische Recht in eine Häresie abgeglitten sei und dass er die Ehre des hohen Pontifikates zu Lebzeiten des Bischofs für sich zu Unrecht beanspruche und dass es sich deshalb außerdem nicht zieme, ihn als Bischof zu ordinieren. Nachdem dieser das gehört hatte, vermied er es am ersten Tag, an der Synodalsitzung teilzunehmen und blieb mit den übrigen Klerikern des Bischofs in einem anderen Haus. Der Bischof aber ging mit wenigen seiner Kapläne zur Synode. Und nachdem die Bischöfe ihre Aussprache begonnen hatten, beschlossen sie die Redezeit eines jeden durch [den Zwang] zur lateinischen Sprache zu begrenzen. Und als die Sache des Hl. Ulrich zu besprechen war und dieser sich wegen seiner Altersschwäche nicht so laut äußern konnte, dass die ganze Synode ihn hätte verstehen können, wurde einer seiner Kleriker zu Hilfe gerufen, mit Namen Gerhard (der Autor; Gs), der außerhalb des Sitzungsraumes bei Adalbero geblieben war, damit er an seiner Statt den Grund seines Begehrens auf Latein mitteile. Und nachdem er sich wegen der dicht gedrängten Menge (es war offenbar eng in der Kirche; Gs) nur mühsam bis zu den Kaisern (Vater und Sohn) und Bischöfen hindurchgedrängt hatte, wurde er gefragt, was sein Herr wolle. Auf diese vielfachen Fragen antwortete er: „Ich darf auf eure Fragen nicht anstatt meines Herrn antworten, wenn er es nicht befiehlt.“ Ihm antwortete der Bischof: „Mein Bruder, dir ist mein Wunsch gut bekannt; lege ihn dar und beschwöre (die Synodalen), dass er durch ihre Beschlüsse und Erlaubnisse mit Gottes Hilfe erfüllt wird.“ Da sprach der genannte Kleriker Gerhard vor der gesamten Synode: „Kaiserliche Exzellenzen (er redete Vater und Sohn an; Gs) und tiefgläubige Bischöfe, der Wunsch meines Herren ist es, das weltliche Leben zu verlasen und nach der Regel des Hl. Benedikt ein heiliges Leben zu beginnen und mit einem kontemplativen Leben seinen Heimgang zu erwarten. An seiner äußeren Kleidung werdet ihr sicher seinen inneren Willen erkennen können.“

Nachdem er mit diesen und anderen Argumenten nach dem Willen seines Herrn geendet hatte, fiel er auf den Boden vor die Füße der Kaiser und Bischöfe und beschwor sie, dass sie die gottesgemäße Bitte seines Herrn zu erfüllen nicht verschmähten."

Die deutschen Bischöfe waren aber mehrheitlich gegen eine solche Verwandtennachfolge, weil Ulrich dadurch einen Präzedenzfall für zukünftige Besetzungen schaffen würde.

Sie vertagten deshalb die Entscheidung und suchten außerhalb der offiziellen Sitzung nach einer gemeinsamen Position, ein Verfahren, das auch heute oft angewendet wird. Die Lösung fanden sie schließlich darin, dass Adalbero einen Schwur leisten sollte, dass er nicht gewusst habe, dass seine Benutzung des Bischofsstabes ein Bruch des Kirchenrechts und damit eine Häresie sei.

Das ließ ihm natürlich die Hintertür einer solchen Ausrede offen, die aber einen Meineid bedeutete, also eine Sünde, zumal der Eid über den Evangelien geschworen werden musste. Mit dieser Forderung wurde er am nächsten Tag konfrontiert, und weil er argumentativ nichts gegen die gemeinsame Position der Bischöfe ausrichten konnte, leistete er schließlich den Eid, von Gerhard nicht kommentiert.

Trotzdem wollten die Bischöfe noch immer nicht auf die von Ulrich begonnene Nachfolgeregelung für seinen Neffen eingehen. Sie mochten ihm aber auch nicht offen während der Synodensitzung widersprechen, weil solche Versammlungen damals auf ostentative Einmütigkeit angelegt waren, sondern schlugen einen informellen Spaziergang mit ihm vor. Und dabei gelang es den „klügsten unter ihnen“, den alten Bischof von der Gefährlichkeit seines Vorhabens zu überzeugen, weil er damit eine Lawine ähnlicher Wünsche auslösen würde, und sie vereinbarten mit ihm, dass er einerseits nicht zurücktrat und sich nicht in ein Kloster zurückzog, wie es seine Absicht gewesen war, dass aber andererseits Adalbero – formell unter ihm – die vollberechtigte Prokura des Bistums übernehmen und der einzige Kandidat für seine Nachfolge bleiben sollte.

Dann kehrten sie in den Sitzungsraum, also die Kirche, zurück und Ulrich erreichte es, dass vom Kaiser (diesmal im Singular, also an diesem Tag nur noch der Vater; Gs) die Vertretung der bischöflichen Funktionen auf Adalbero übertragen wurde, wobei Ulrich formal im Amt blieb.

Danach löste sich die Synode auf, und man reiste allgemein ab. Adalbero kam jedoch nicht mehr in den Genuss dieser Regelung, weil er schon im folgenden Jahr noch vor seinem Onkel starb, sodass nach dessen Tod erneut ein Nachfolger gesucht werden musste, Heinrich I., der durch Intrigen seiner Verwandten auf den Bischofsstuhl von Augsburg gelangte und einen Aufstand gegen Otto II. auslöste.

Völlig im Dunklen lässt Gerhard bei dieser Beschreibung die Rolle des Kaisers, denn so, wie er ihn hier beschreibt, zeigte Otto an keinem der Tage irgendeine Initiative, sondern schloss sich einfach dem Vorschlag der Bischöfe an und wirkt dadurch nur wie ein neutraler Staatsnotar, was kaum glaubhaft ist. Wenn man sich vor Augen hält, wie politische Entscheidungsfindung zu allen Zeiten abläuft, muss man wohl annehmen, dass auch Vertraute Ottos sowohl an den informellen Gesprächen der Bischöfe als auch an dem Spaziergang teilnahen, dass also auch der Kaiser seine politischen Absichten in die gefundene Regelung einbringen konnte: Sie entsprach schließlich der Lösung, der er (Otto) selbst schon früher zugestimmt hatte.

Für unsere Vorstellung des Ingelheimer Königsgutes ist es wahrscheinlich von Bedeutung, dass die Bischöfe – sicher nicht nur der Augsburger – über eigene Gästehäuser verfügen konnten, die Platz für mehrere Personen boten, wo man also politische Gespräche führen konnte.

Zu den Gästehäusern siehe die Hauptseite zu Ottonen und Saliern.

 

Gs; erstmals: 10.08.2019; Stand: 17.10.2020